Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 919

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häfen und Kohlenstationen auf den obengenannten Inseln den Weg nach der australischen und asiatischen Küste des Stillen Ozeans.

Auf diesem Wege stößt Japan durch die Besetzung der deutschen Marschall-, Marianen- und Karolinen-Inseln mit den Vereinigten Staaten ebenso heftig zusammen wie auf den Märkten Chinas, die mit jedem Jahre eine immer größere Bedeutung für den amerikanischen Handel erlangen. Nach dem Ton der japanischen Presse zu urteilen, strebt Japan danach, sich von der Bevormundung der Vereinigten Staaten freizumachen, die beispielsweise darin in Erscheinung trat, daß die japanische Regierung bei Kriegsbeginn in Washington erklären mußte, daß sie weder in China noch in der Südsee auf Annexionen ausgehe. Je länger aber der Krieg dauert und je wichtiger demgemäß Japan für den Dreiverband[1] wird, desto aggressiver wird die Politik Japans auch gegenüber den Vereinigten Staaten. Sicherlich hängt das auch damit zusammen, daß die Vereinigten Staaten sich in Mexiko festgelegt haben und den Krieg, wenigstens bisher, zur Eroberung neuer Absatzgebiete im Atlantischen Ozean ausnutzten. Dennoch wächst in den Vereinigten Staaten mit jedem Tage die Unzufriedenheit mit der Politik Japans; die Militär- und Flottentreiber sind eifrig an der Arbeit, um eine mehr oder minder allgemeine Wehrpflicht einzuführen und die Flottenrüstungen zu verstärken; der Senat votiert eine spezielle Kriegssteuer, und eine starke Kriegsflotte wird nach den Gewässern des Stillen Ozeans entsandt, um die Interessen der Vereinigten Staaten gegenüber Japan wahrzunehmen. So werden von beiden Seiten – von Japan wie von den Vereinigten Staaten – schon jetzt Vorkehrungen für die große Auseinandersetzung getroffen, die als Ergebnis der widerstreitenden Interessen dieser beiden Großmächte sich am Stillen Ozean vorbereitet.

Schon im Jahre 1850 schrieb Marx: „Dank dem kalifornischen Golde und der unermüdlichen Energie der Yankees werden beide Küsten des Stillen Meers bald ebenso bevölkert, ebenso offen für den Handel, ebenso industriell sein, wie es jetzt die Küste von Boston bis New Orleans ist. Dann wird der Stille Ozean dieselbe Rolle spielen wie jetzt das Atlantische und im Altertum und Mittelalter das Mittelländische Meer – die Rolle der großen Wasserstraße des Weltverkehrs; und der Atlantische Ozean wird herabsinken zu der Rolle eines Binnensees, wie sie jetzt das Mittelmeer spielt.“[2] Als eine der Folgen des Weltkrieges, die in ihren Nachwirkungen noch gar nicht zu übersehen ist, tritt schon jetzt zu Tage, daß die, wenn auch zunächst nur vorüberge-

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[1] Gemeint ist die Triple-Entente zwischen England, Frankreich und Rußland. England und Frankreich hatten sich mit der Unterzeichnung des Vertrages vom 8. April 1904 (Entente cordiale) über strittige Kolonialfragen geeinigt. Frankreich stimmte der britischen Herrschaft über Ägypten zu, während England der französischen Regierung freie Hand in Marokko ließ. Durch den Vertrag zwischen England und Rußland vom 31. August 1907 wurde Persien zwischen beiden Staaten aufgeteilt, Afghanistan unter britische Herrschaft gestellt und die chinesischen Hoheitsrechte über Tibet anerkannt. Damit war die 1904 hergestellte Entente cordiale zur Triple-Entente erweitert worden.

[2] Karl Marx, Friedrich Engels: Revue. Januar/Februar 1850. Nach: Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue. In: MEW, Bd. 7, S. 221.