Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 918

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-7-2/seite/918

Japans nach den Inseln in der Südsee politisch aktueller und für das Kräfteverhältnis der um die Vorherrschaft im Stillen Ozean ringenden Mächte augenblicklich von größerer Bedeutung. Die japanische Regierung hat, entgegen einer anderen Meldung, die besagte, daß Japan die deutschen Inseln in der Südsee an Australien abgetreten habe, in der Kammer erklärt, die Besetzung der deutschen Südseeinseln werde so lange aufrechterhalten werden, wie es den japanischen Interessen geraten erscheine. In diesen Worten ist ein wichtiger Teil des japanischen imperialistischen Programms enthalten, dem die jetzige Regierung wie die einflußreichsten politischen Parteien zustimmen. Nach diesem Programm – wie es vom Premierminister Graf Okuma und dem Führer der „Seepartei“, Admiral Jamamoto, formuliert worden ist – muß Japan, namentlich nach der Verdrängung Deutschlands aus Nordchina, sich hüten, starke militärische Kräfte auf dem Kontinent zu binden, es muß vielmehr den Schwerpunkt seiner Politik nach den Südseeinseln richten, die, an den wichtigsten Verkehrsstraßen des Stillen Ozeans liegend, unentbehrlich Stützpunkte für den Kampf Japans um neue Märkte und die Beherrschung des Ozeans bilden.

Dieses Programm der japanischen „Inselpolitik“ besitzt momentan für die Expansion Japans große Vorzüge. Es reduziert bis zu einem Minimum die aus einer aggressiven Kontinentalpolitik in der Mandschurei sich ergebenden Reibungen mit Rußland, schafft die Vorbedingungen für ein Zusammengehen, ev[entuell] sogar für ein Bündnis mit dem Zarenreiche, schwächt den Antagonismus zwischen England und Japan im Jangtse-Tal und verstärkt, was am wichtigsten ist, die militärisch-strategische Stellung Japans für die immer näher rückende Auseinandersetzung mit dem wichtigsten Konkurrenten im Stillen Ozean – mit den Vereinigten Staaten Nordamerikas.

In dem Antagonismus zwischen Japan und den Vereinigten Staaten liegt zur Zeit der Schwerpunkt der gesamten politischen Entwicklung im Stillen Ozean. Die Vereinigten Staaten haben in den letzten Jahrzehnten mittels einer zielbewußten, rücksichtslosen Politik die Anwartschaft für die Beherrschung des Stillen Ozeans an sich gerissen. Nachdem sie durch die Besetzung Kubas und die Kriegserklärung an Spanien im April 1898[1] den ersten Schritt auf diesem Wege getan, sicherten sie sich in verhältnismäßig kurzer Zeit die Herrschaft über die wichtigsten Straßen und Stützpunkte, die nach den ungeheuren Märkten am Stillen Ozean führen. Sie erzwangen von England die Anerkennung ihrer Hegemonie über die von ihnen geschaffene Republik Panama, vollendeten den von Lesseps in Angriff genommenen Panamakanal, erwarben Hawaii, die Philippinen, Guam, einen Teil der Karolinen- und Marianen-Inseln, errichteten auf den Galapagos-Inseln einen stark befestigten Stützpunkt, der den Eingang zum Panamakanal beherrscht, und sicherten sich durch Errichtung von Kriegs-

Nächste Seite »



[1] Mit dem Spanisch-Amerikanischen Krieg von April bis Dezember 1898 verstärkten die USA ihren Einfluß in Lateinamerika, erweiterten ihr Kolonialreich durch Kuba, Puerto Rico und Guam und eroberten mit den Philippinen eine strategisch wichtige Militärbasis in Ostasien.