Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 904

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dreihundert Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf die Gefahr des Galgens.“[1]

Die Drohung mit dem zwanzigjährigen Kriege ist auch nichts als ein Echo aus der englischen Geschichte. England hat schon einmal zwanzig Jahre gekämpft, um einen gefährlichen Konkurrenten auf dem Weltmarkt niederzuzwingen. Damals, vor hundert Jahren, hat das bürgerliche England auch nicht verschmäht, die feudalen Mächte des europäischen Festlandes gegen das revolutionäre Frankreich aufzupeitschen. Im Bunde mit Rußland hat es Napoleon niedergezwungen, nur daß damals Preußen und Österreich mit in diesem Bunde waren, während heute England mit Frankreich und Rußland gegen Deutschland und Österreich kämpft. Es hat freilich auch Zeiten gegeben, wo England revolutionäre Bewegungen unterstützte, aber es ist immer nur dann geschehen, wenn und insoweit es seine Profitinteressen durch diese Bewegungen gefördert sah.

Gerade für Sozialdemokraten sollte diese Seite der englischen Politik kein Geheimnis sein. Marx hat schon im Jahre 1848 England als den Felsen der europäischen Reaktion[2] denunziert, als einen Felsen, an dem die Revolutionswogen scheiterten. Er hat später nachgewiesen, daß die auswärtige Politik Englands im achtzehnten Jahrhundert bis in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts immer im Geheimen mit dem Zarentum gemogelt habe; er hat den englischen Minister Palmerston, der kurzsichtigen Politikern als ein „Feuerbrand der Revolution“[3] erschien, vielmehr als einen Söldling des Zaren angeklagt.[4] Es scheint, daß Marx in diesen Dingen mitunter zu schwarz gesehen hat; aber gleichviel – diejenige Seite der englischen Politik, die sich

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[1] Die englische Zeitschrift, aus der Marx zitiert, hieß Quarterly Review. In: Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Oekonomie. Erster Band. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals, Hamburg 1867, S. 742, Anmerkung 250. In: MEW, Bd. 23, S. 788.

[2] Siehe zunächst Friedrich Engels: Die Polendebatte in Frankfurt, Neue Rheinische Zeitung, Nr. 96 vom 7. September 1848, In: MEW, Bd. 5, S. 359; Friedrich Engels: Der dänisch-preußische Waffenstillstand, Neue Rheinische Zeitung, Nr. 99 vom 10. September 1848, ebenda, S. 396 f.; erst später Karl Marx: Die englisch-französische Vermittlung in Italien, Neue Rheinische Zeitung, Nr. 123 vom 22. Oktober 1848. In: MEW, Bd. 5, S. 435 f.; Karl Marx: Die revolutionäre Bewegung, Neue Rheinische Zeitung, Nr. 184 vom 1. Januar 1849. In: MEW, Bd. 6, S. 149.

[3] Lord Palmerston wurde am 3. Juli 1846 englischer Außenminister. Wegen seiner vielgeschäftigen, sich überall einmischenden Politik bekam er von den Zeitgenossen den Namen Lord Firebrand (Feuerbrand). Zwischen 1827 und 1865 betrieb er in verschiedenen Ministerien und unterschiedlichen politischen Parteien mit Hilfe der Politik des europäischen Gleichgewichts erfolgreich den Ausbau und die Sicherung des britischen Empires.

[4] Siehe Karl Marx: Lord Palmerston. (Achtteilige Artikelserie], The People’s Paper, Nr. 77–86 vom 22. Oktober bis 24. Dezember 1853. In: MEW, Bd. 9, S. 353 ff. – S. 364 heißt es: „Lord Palmerston […] als unermüdlicher, unerschütterlicher Anwalt russischer Interessen sowohl im Kabinett als im Unterhaus“; siehe auch Karl Marx: Der Rücktritt Palmerstons, New-York Daily Tribüne, Nr. 3965 vom 31. Dezember 1853. In: MEW, Bd. 9, S. 555 ff.; Karl Marx: Herr Vogt. In. MEW, Bd. 14, S. 493, wo es heißt: „Lord Palmerston, während seiner 30jährigen Regierung Englands, beschönigt allerdings gelegentlich sein Vasallentum unter Rußland mit seiner Antipathie gegen Östreich.“