Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 896

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lassen! Alle diese lichteren, tröstenden Aussichten würden vernichtet werden, wenn die weiteren Geschehnisse jenen unheimlichen Weg nehmen sollten, den einzelne Fanatiker weisen, wenn der Krieg, der unter den Auspizien der nationalen Verteidigung und der Friedensabsichten begonnen wurde, neue Drachensaat der Gegensätze, Feindschaften ausstreuen, nie zu verschmerzende Demütigungen zufügen, nie heilende Wunden schlagen würde. Aus einem solchen Ausgang der Dinge könnte nur der russische Absolutismus neue Lebenssäfte ziehen, wie er bisher seine Existenz von dem deutsch-französischen Gegensatz fristete. Deshalb kann der oberste Ruf dieses Krieges: nieder mit dem Zarismus! heute mit anderen Worten so übersetzt werden: ehrenvoller Friede mit Frankreich! Der alte deutsche Patriot Ludwig Börne hat einmal gesagt: „Deutschland und Frankreich vereint können alles erreichen und alles verhindern.“[1] Heute können sie vereint der Menschheit den ersehnten Frieden wiedergeben, auf daß sie nach den Schauern des Weltkrieges aufatme. Sie können verhindern, daß der Taumel des Völkerhasses immer weitere Länder ergreift und Werke jahrtausendealter Kultur in Schutt und Asche aufgehen.

Sozialdemokratische Korrespondenz (Berlin),

Nr. 94 vom 1. September 1914, Kopie.

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[1] „Frankreich und Deutschland vereinigt, können alles vollbringen und alles verhindern. Ein Krieg zwischen Rußland und England könnte niemals ernstlich den Frieden Europas stören, so lange Frankreich und Deutschland neutral bleiben, und weder England noch Rußland könnten für Frankreich gefährlich werden, wenn ihnen nicht Deutschland Beistand leistete. Von der Einigkeit Frankreichs und Deutschlands hängt also nicht bloß ihr eigenes Wohl, sondern auch das Schicksal ganz Europas ab.“ Siehe Menzel der Franzosenfresser von Ludwig Börne, Berlin 1848, S. 44. In: Ludwig Börnes gesammelte Schriften. Vollständige Ausgabe in sechs Bänden nebst Anhang: Nachgelassene Schriften in zwei Bänden. Mit Börnes Portrait, einem Briefe in Faksimile und einer biographisch-kritischen Einleitung von Alfred Klaar. Vierter Band, Leipzig 1899, S. 62; Ludwig Börne: Sämtliche Schriften. Neu bearb. und hrsg. von Inge und Peter Rippmann. Dritter Band, Düsseldorf 1964, S. 907.