Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 819

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näre frohlockten. Die Liberalen frohlockten, indem sie schwiegen. Ob die Gegner ebenso frohlocken würden, wenn sie in diesen Saal hineinsehen könnten? Der Kampf gegen den Kapitalismus ist unser Lebensnerv. Wie sollten wir uns durch Strafen erschüttern lassen? Ein Bismarck ist nicht mit der Sozialdemokratie fertig geworden, und die heutigen Knirpse sollen mit uns fertig werden? (Stürmische Heiterkeit.) Sie machen uns Tag für Tag den Kampf zur Notwendigkeit, Tag für Tag lesen wir von den gepeinigten Soldaten. Hätten wir keinen anderen Grund, so wäre das allein aufputschend genug. Die Worte Bebels wurden mir verargt, daß Mißhandlungen in der holländischen Kolonialarmee undenkbar seien, weil dort der gemeine Mann das Recht hat, seine Peiniger zu Boden zu schlagen. Bebel hielt eine solche Methode auch für ein geeignetes Mittel, in Deutschland den Soldatenmißhandlungen[1] ein Ende zu machen. Der Frankfurter Staatsanwalt meint, in jeder Volksversammlung seien Reservisten und Landwehrmänner anwesend. Die müßten vor dem Antimilitarismus behütet werden. Nun, die Soldaten sind unsere Arbeitsbrüder. Die Sozialdemokratie will das gesamte Proletariat mit Abscheu vor dem Militarismus und vor dem Krieg erfüllen.

Ich überlasse es Ihnen selbst, zu beurteilen, was nun die Lebensaufgabe jedes Arbeiters und jeder Arbeiterin ist.

Die Kriege unmöglich zu machen, das ist unsere Aufgabe. Dazu genügt die Aufklärung der Massen, besonders der Frauen und der Jugend. Die Verantwortung für die Folgen legen wir auf die herrschenden Klassen. Sie sind es, die Sturm säen und Sturm ernten. Wir bösen Sozialdemokraten sind es, die bemüht sind, die bestehenden Schäden zu reformieren. Ich erinnere an die Anträge der Reichstagsfraktion letzten Sommer bei der Beratung der Wehrvorlage.[2] Hätten die Herrschenden die Anträge angenommen, so wäre die Lage der Soldaten erträglich, der Gegensatz des arbeitenden Volkes gegen den Militarismus gemildert worden. Aber das Umgekehrte geschah. Etwas Ähnliches ist jetzt wieder geschehen. In der Zabernkommission sind ebenfalls sämtliche Verbesserungsanträge abgelehnt worden.[3] Sie ist gestern sang- und klanglos verschieden. Hier auf diesem Boden gibt es eben keine Reformen mehr, hier heißt es, den Feind mit Stumpf und Stiel ausrotten. Das Frankfurter Urteil beweist, daß es vergeblich ist, diesen Toren unsere Weltanschauung beizubringen. Es gibt nur Kampf auf Tod und Leben. Diese Lehre, in Millionen Herzen geworfen, lautet:

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[1] Siehe Rosa Luxemburg: Notizen zur Prozeßvorbereitung über Soldatenmißhandlungen. In: GW, Bd. 7/2, S. 853 ff.

[2] Gefordert worden war eine gründliche Finanzreform, vor allem die Einführung der Erbschafts- und Vermögenssteuer, Beseitigung von indirekten Steuern. Siehe Der Kampf um die Deckung. In: Vorwärts (Berlin), Nr. 131 vom 29. Mai 1913. – Siehe auch S. 764, Fußnote 2.

[3] Der sozialdemokratische Antrag in der Zabernkommission zur Regelung militärischer Machtbefugnisse forderte die Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit für die Militärpersonen des aktiven Heeres und der aktiven Marine und verlangte deren Unterstellung unter die bürgerliche Strafgerichtsbarkeit. Er wurde aus grundsätzlichen Erwägungen von der Mehrheit der Kommission abgelehnt. Ohne Ergebnis beendete die Kommission am 26. Februar 1914 ihre Arbeit nach zwei Sitzungen.