Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 734

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der Partei auf dem Laufenden zu halten (hört, hört!), konnte man es so darstellen, als ob ich das Karnickel sei, das die ganze Sache angefangen hat. (Heiterkeit.) Aber das ist nicht wahr. In unserem wissenschaftlichen Organ, in der „Neuen Zeit“, ist das Abkommen vom Genossen Mehring genau so scharf verurteilt worden wie von mir.[1] Selbst der „Vorwärts“, der die offizielle Verteidigung des Parteivorstandes übernommen hat, schreibt, daß die Heimlichkeit nicht am Platze war und daß das Abkommen nicht abgeschlossen werden durfte, wenn es nur um den Preis der Umwälzung unserer demokratischen Grundsätze zu erkaufen gewesen wäre.[2] Bis jetzt kenne ich keine Stimme in der Partei, die diesen Punkt des Abkommens verteidigen würde. Vielleicht tut es Genosse Kolb in seinem Blatt. (Lebhafte Heiterkeit. Ledebour ruft: Das ist auch noch nicht mal sicher!) Es kommt nicht darauf an, ob ein einzelner Fehler in der praktischen Politik vom Parteivorstand gemacht wird, sondern auf die allgemeinen politischen Gesichtspunkte kommt es an. Man behauptet, das Stichwahlabkommen sei mit Erfolg gekrönt. Aber in der überwiegenden Zahl der Wahlkreise haben mehr Fortschrittler für die Reaktion als für uns gestimmt. Man erklärt, man wollte die schwarzblaue Reaktion zerschmettern und versucht uns Glauben zu machen, daß das gelungen sei. Der „Vorwärts“ hat behauptet, wir haben durch das Abkommen die Regierung und die Reaktion zur Ohnmacht verurteilt. (Heiterkeit.) Das ist doch eine unverzeihliche Illusion. Die Kritiker des Abkommens werden des Antiparlamentarismus verdächtigt. Der heutige „Vorwärts“ weist auf unsere Forderung hin, das stehende Heer in ein wirkliches Volksheer umzuwandeln, wobei wir, wie er sagt, auf die Hilfe des Parlaments kaum rechnen können.[3] Braun hat in der vorigen Versammlung mir gegenüber gesagt, wären wir auf die Straße gelaufen und hätten losgekreischt: Miliz! so hätten wir den Rat bekommen, in eine Kaltwasserheilanstalt zu gehen. Ich empfehle also, die Redaktion des „Vorwärts“ in eine Kaltwasserheilanstalt zu schicken. (Heiterkeit), die auch am vorigen Freitag schrieb, die „Massen müssen sich rühren und regen, wenn unseren Aktionen im Parlament Mark und Nachdruck verliehen werden soll“.[4]

Das Gefährlichste an dem Abkommen sind die überschwänglichen Hoffnungen auf den Parlamentarismus und die Wirkungen der parlamentarischen Schiebungen. Mit Hilfe der Fortschrittlichen wollte man die deutsche Reaktion zerschmettern, mit Hilfe derselben Liberalen, die täglich von neuem vor jeden Schritt der Reaktion zusammenknicken. Solche übertriebenen Hoffnungen werden sich bitter rächen, wenn in wenigen Jahren die Massen nach den Wunderwirkungen des parlamentarischen Sieges fragen. Die Konsequenz dieser Stellungnahme führt zu der famosen süddeut-

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[1] Siehe Franz Mehring: Präsidial- und andere Fragen, Leitartikel der Neuen Zeit vom 15. März 1912. In: Franz Mehring: Gesammelte Schriften, Bd. 15, Berlin 1966, S. 582 f.

[2] Siehe Unser Stichwahlabkommen. In: Vorwärts (Berlin), Nr. 56 vom 7. März 1912.

[3] Siehe Herunter mit dem Panzer! In: Vorwärts (Berlin), Nr. 77 vom 31. März 1912.

[4] Siehe Gesetzgebung durch das Volk. Ebenda, Nr. 75 vom 29. März 1912.