landab gehen und den Wählern in Baden sagen kann, wenn ihr unzufrieden seid, so bedankt euch beim Großblock, Sozialdemokraten und Nationalliberalen, so ist dem Zentrum diese Waffe künstlich durch unsre eigenen Leute in die Hand gegeben worden.
Unsre erfahrenen Vorkämpfer, die Genossen Bebel, Liebknecht, Auer usw. haben niemals einem Budget zugestimmt. Wer unter euch wird behaupten wollen, daß das Lebenswerk dieser Genossen bloße Negation sei? (Stürm[ischer] Beifall.) Rednerin behandelt noch des längeren das Schulgesetz[1] und das Gesetz über die Gemeindeordnung,[2] welche frei und gänzlich unabhängig vom Budget ihre Erledigung gefunden haben. Die Proletarier haben trotz aller Beschönigungen keinen Grund, das Musterländchen Baden als Paradies auf Erden anzusehen. (Tosender Beifall.) Gänzlich hinfällig sei auch der Vergleich mit militärischer Disziplin und derjenigen in unsrer Partei. Ins Militär wird jeder zwangsweise gesteckt, während in unsre Partei doch jedermann freiwillig kommen und eintreten kann. Gerade weil die Disziplin in unsrer Partei eine freiwillige ist, müssen wir um so mehr verlangen, daß die von der Mehrheit gefaßten Beschlüsse auch hochgehalten werden. Wenn die Einheit in der deutschen Sozialdemokratie nicht aufrechterhalten würde, so wäre es auch mit der Einheit der badischen Sozialdemokratie vorbei. Deshalb müsse das Bestreben aller Genossen und Genossinnen sein: Hoch die Einheit, hoch die Entschlossenheit der Gesamtpartei! (Stürmischer, nicht enden wollender Beifall.)
Leipziger Volkszeitung,
Nr. 212 vom 13. September 1910.[3]
[1] Am 4. Mai 1910 war in der Zweiten Kammer des badischen Landtags das Gesetz über den Elementarunterricht mit allen gegen die Stimmen des Zentrums angenommen worden. Das neue Schulgesetz sah lediglich geringfügige Beschränkungen des Einflusses des Klerus auf die Schule vor; es erfüllte nicht die Forderung nach einer Trennung von Schule und Kirche und verweigerte den Lehrern die Stellung als Staatsbeamte.
[2] Gegen eine Reform des Gemeindewahlrechts in Baden 1910, die nur so unwesentliche Veränderungen wie die Herabsetzung des Wahlalters von 26 auf 25 Jahre vorsah, am reaktionären Charakter des Wahlrechts aber nichts änderte, hatte die sozialdemokratische Landtagsfraktion nicht protestiert, sondern im Landtag sogar für die Annahme gestimmt.
[3] Knapper berichteten der Oberländer Bote vom 12. und 13. September 1910, das Oberbadische Volksblatt (Lörrach) vom 13. September 1910 und das Hamburger Echo, Nr. 216 vom 15. September 1910