Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 1093

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-7-2/seite/1093

Damit ist die ihre geschichtliche Auffassung im voraus gerichtet. Der welthist[orische] Bankrott des Soz[ialismus] im Kriege, den auch sie nicht leugnen, erscheint als ein Werk des Zufalls des persönlichen Renegatentums der Führer, der Wankelmütigkeit, der Verirrung der Massen.

Aber „Zufall“ u. persönliche Schuld oder Irrtum haben sind als Erklärung ist in der Weltgeschichte ebenso nur ein D Deckmantel für unsere Unkenntnis u. mangelnde Verständnislosigkeit wie in der Naturerkenntnis.

Die erste Bedingung Doppelt beschämend ist eine solche „Geschichtsauffassung“ für fanatische Anhänger des Marxschen mater historischen Materialismus. Eine Probe wieder, daß der Marxismus bei gerade bei ihr seinen offiziellen Bonzen, die de Tempelwächtern, den sogen. Zentralmarxisten, nicht assimilierte lebendige befruchtende Einsicht, sondern totes Apologetentum war.

K[arl] K.[autsky] Die Intern[ationale] Instrument des Friedens![1]

_____________________

Die So haben die Sozd[emokratie] u. die Gew[erkschaften] durch ein halbes Jh. Schulung die Truppen – für Hindenburg u. Ludendorff vorbereitet, Schutztruppen für Mannerheim,[2] den Hetmann u. die baltischen Barone.

Diese Greuel, diese Tiefe der Schmach, diese abgefeimte Selbstprostituierung scheinen auf den ersten Blick unbegreiflich. Man wäre geneigt, an eine besondere Abgefeimtheit der deutschen Volksmasse zu glauben. Doch nichts natürlicher als das! Die Geschichte kennt eben in großen Entscheidungen keine Mittelwege, wie man sie sich im stillen Gewässer des Parlament[arismus] ausspinnt. Das Prol[etariat] stand in D[eutsch]l[a]nd wie überall vor einem Entweder – Oder. Es galt revolutionären Klass[en]k[ampf] oder – beim Verzicht – alle Stufen der Schmach u. des Verrats auszukosten. Letzteres ist eingetreten. Die Heldentaten in Finnland etc. sind der Strich unter der Rechnung der alten d[eutschen] Sozd[emokratie] u. der zweiten Intern[ationale]. Sie vernichten die alte Autorität u. die Taktik von Engels – K[arl] K[autsky].

Nächste Seite »



[1] Siehe Die Sozialdemokratie im Kriege. In: Die Neue Zeit, 33. Jg., 1914/15, Erster Band, S. 1–8; ders.: Die Internationalität und der Krieg. In: ebenda, S. 248. Darin vertritt Karl Kautsky die These, die Internationale sei „kein wirksames Werkzeug im Kriege, sie ist im wesentlichen ein Friedensinstrument“. Siehe dazu Der Wiederaufbau der Internationale. In: GW, Bd. 4, S. 21, wo Rosa Luxemburg feststellt: „Kautsky, der als Vertreter des sogenannten ‚marxistischen Zentrums‘ oder, politisch gesprochen, als der Theoretiker des Sumpfes schon seit Jahren die Theorie zur willfährigen Magd der offiziellen Praxis der ‚Parteiinstanzen‘ degradiert und dadurch zu dem heutigen Zusammenbruch der Partei redlich beigetragen hat, hat auch jetzt schon eine neue Theorie gerade zur Rechtfertigung und Beschönigung des Zusammenbruchs zurechtgedacht.“

[2] Die von Carl Gustav Mannerheim geführten weißgardistischen Truppen hatten im Mai 1918 zusammen mit deutschen Truppen die finnische Revolution, die im Januar 1918 begonnen hatte, niedergeschlagen. Zehntausende Revolutionäre wurden Opfer der Konterrevolution.