Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 1089

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Friede. „Nach dem Kriege“ der Parteitag.

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Aussichten der Soz[ial]d[emokratie] nach dem Kriege, Ruin des Christent[ums], des Liberalismus

(Ideologie d. Zentrums), des Militarismus, des Kriegssozialismus.

(keine Entscheidung trotz Sieg) Vergl[eich] mit 1871.

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Die erste Internationale, die von Marx u. Engels im J. 1864 gegründet wurde,[1] konnte noch keine Zusammenfassung der europäischen Arbeiterbewegung sein, sie war selbst erst die Wiege einer solchen. Aus der Marxschen Internationale u. durch sie sollten erst die Abzwei Schößlinge des modernen Sozialismus in einzelnen Ländern gepflanzt werden. Der gemeinsame Stamm war hier etc mit kühner Hand in welthistorischer Tat erst aufgerichtet worden, nun hieß es seine Wurzeln hieß es für den Sozialismus, in einzelnen allen kapitalistischen Ländern Wurzeln zu schlagen. Das Werk wurde vollbracht, aber vorerst in diesem Dienste erschöpfte sich zunächst der geschichtliche Beruf der ersten Internationale, nach knapp zehnjährigem Dasein löste sie sich auf, um einem langsamen Prozeß der Begründung sozialistischer Arbeiterparteien in den einzelnen Staaten Platz zu machen.

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Nach dem Aderlaß der Pariser Kommune im J. 1871[2] raffte sich die französische Arbeiterbewegung in den 80er Jahren wieder auf, ihr folgten die sozialistische n Parteien in Italien, in Belgien, in England; in Deutschland legte die Sozialdemokratie um dieselbe Zeit im Kampfe ehernen Ringen mit dem Bismarckschen Ausnahmegesetz[3] ihre Reifeprüfung vor der Geschichte ab. Ende der 80er Jahre stand die moderne Arbeiterbewegung auf festen Fundamenten in Europa, u. alsbald ga ergab sich daraus ihr ihr sein natürlicher Drang zum Mutterboden ihrer Kraft: zum internationalen Zusammenschluß.

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[1] Die Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation, später erste Internationale genannt, fand am 28. September 1864 in London statt. Zugegen waren deutsche, englische, französische, italienische, polnische, schweizerische Arbeiter und politische Emigranten. Die programmatischen Dokumente, d. h. die Inauguraladresse und die Provisorischen Statuten, verfaßte Karl Marx. Als leitendes Organ konstituierte sich kurze Zeit danach ein Komitee, bis 1866 vorwiegend als Zentralrat, später als Generalrat bezeichnet. In ihm war Karl Marx Korrespondierender Sekretär für Deutschland. Deutsche Mitglieder des Zentralrats waren u. a. J. G. Eccarius, K. Kaub, F. Leßner, G. Lochner, P. Petersen, K. Pfänder, ab 1865 auch K. Schapper.

[2] Die Pariser „Blutwoche“ vom 21. bis 28. Mai 1871 führte zur konterrevolutionären Niederschlagung der Pariser Kommune, die als erster welthistorischer Versuch, eine Herrschaft der Arbeiterklasse zu errichten, am 18. März 1871 begonnen hatte. Beim brutalen Vorgehen der Regierungstruppen, verstärkt durch vorzeitig aus deutscher Kriegsgefangenschaft entlassene Truppen und begünstigt durch die im Raum Paris stationierten deutschen Armeekorps, wurden etwa 30000 Kommunarden getötet und etwa 85000 verhaftet, deportiert und zu Zuchthaus- oder Gefängnisstrafen verurteilt.

[3] Das mit 221 gegen 149 Stimmen im Deutschen Reichstag am 19. Oktober 1878 auf Druck von Otto von Bismarck angenommene Gesetz „gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ trat am 21. Oktober 1878 mit seiner Verkündung in Kraft. Es stellte die deutsche Sozialdemokratie außerhalb des Gesetzes, unterwarf ihre Mitglieder Verfolgungen und Schikanen und erschwerte die Arbeit der Partei außerordentlich. Unter Druck der Massen und angesichts der Differenzen innerhalb der herrschenden Klassen, die sich im Reichstagswahlergebnis am 20. Februar 1890 widerspiegelten, lehnte der Deutsche Reichstag am 25. Januar 1890 mit 169 gegen 98 Stimmen die Verlängerung des Sozialistengesetzes in dritter Lesung ab. Siehe dazu u. a. Nach 20 Jahren. In: GW, Bd. 6, S. 232 ff.