Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 1054

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-7-2/seite/1054

men, und es wird zu ihrer Geburt nicht ein so langer Zwischenraum liegen, wie zwischen der ersten und zweiten Internationale lag, aber noch ist sie erst im Entstehen.

Einen vernünftigen Grund kann die internationale Konferenz in Stockholm nur haben, wenn sie sich darauf beschränkt, die tatsächliche Möglichkeit auszunutzen, die durch die Revolution des russischen Proletariats geschaffen ist,[1] ein schweres Gewicht in die Waagschale des Friedens zu werfen. Daraus ergibt sich von selbst, daß die Regierungssozialisten aller kriegführenden Länder, d. h. alle Sozialisten, die die Kriegspolitik ihrer Regierungen unterstützt haben und unterstützen, gleichviel ob sie dabei allerlei Friedenswünsche in den Bart murmeln oder nicht, von der Konferenz auszuschließen sind. Werden sie dennoch eingeladen und erscheinen sie wirklich, so wird die Konferenz zu einem Schattenspiel an der Wand und alle sozialistischen Parteien, denen es wirklich Ernst um ihre Sache ist, haben sich ihr fernzuhalten.

Am einfachsten und erfreulichsten wäre es, wenn die russischen Sozialisten – denn sie haben das erste und entscheidende Wort in der Sache – kurzweg erklärten: Mit Regierungssozialisten verhandeln wir überhaupt nicht. Ob sie es getan haben oder ob sie es tun werden, wissen wir zur Zeit, wo wir diese Zeilen schreiben, noch nicht. Sollten sie aber diese kategorische Erklärung nicht abgeben, dann haben prinzipientreue Sozialisten auf der Stockholmer Konferenz nichts zu suchen. Wozu die dann dienen und dienen sollen, hat der holländische Sozialist in einer Äußerung, die wir schon in unserer Nummer zitiert haben, sehr naiv verraten, indem er sagte: „Eine sozialistische Konferenz führe zu keinem Resultat, wenn allein die Parteien vertreten seien, die im Grunde ihre Regierungen vertreten.“5[2] Das ist an sich unzweifelhaft richtig, aber wenn Troelstra daraus die Schlußfolgerung zieht, die sozialistischen Minderheitsparteien müßten auch in Stockholm erscheinen, so mutet er ihnen die angenehme Rolle zu, dem an sich wirkungslosen Gerede der Regierungssozialisten einen wirksamen Hintergrund zu geben.

Darauf darf und kann sich insbesondere die Unabhängige Sozialdemokratie Deutschlands nicht einlassen. Sie ist mit den Scheidemännern fertig, wie diese mit ihr. Mit diesen Leuten kann sie sich nicht an denselben Tisch setzen. Es wäre eine Halbheit, und mit Halbheiten gewinnt man heute die Massen nicht mehr.

Der Kampf (Duisburg),

Nr. 48 vom 4. Mai 1917.

Nächste Seite »



[1] Siehe S. 92, Fußnote 5 und S. 1024 ff.

[2] Siehe Het Volk (Amsterdam), vom 20. April 1917. – In Deutsch siehe Troelstra über die Absichten der holländischen Exekutive. In: Internationale Korrespondenz über Arbeiterbewegung, Sozialismus und auswärtige Politik, hrsg. von A. Baumeister, 4. Jg., Nr. 7 vom 27. April 1917, wo es S. 46 heißt: „Durch das Einladen aller geschieht keiner Partei unrecht. Obendrein: Aus der Konferenz könnte für den Frieden nichts Ersprießliches herauskommen, wenn nur die Parteien zugegen wären, die eigentlich nur ihre Regierung vertreten. Die Minderheiten der verschiedenen Länder müssen nicht nur die Brücke bilden, um die Parteien der kriegführenden Länder überhaupt zusammenzubringen, sondern – abgesehen von Italien – repräsentieren sie auch natürlicherweise das internationale Element.“