Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 1032

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um gegen den Imperialismus zu kämpfen, können auch der Imperialismus und seine Schildknappen innerhalb der Sozialdemokratie wirksam bekämpft werden. Man kann nicht die Handlanger und Klienten der herrschenden Faktoren: die Scheidemann und Gen[ossen] niederzwingen und überwinden, wenn die imperialistische Politik dieser Gewalten gar keinen Widerstand in den Volksmassen findet. Die Wiedergeburt einer sozialdemokratischen Partei in neuer Gestalt, von neuem Geist erfüllt und den großen historischen Aufgaben gewachsen, kann gleichfalls nur das Werk einer Massenbewegung des Proletariats, die Frucht einer geistigen Wiedergeburt der Volksmassen und ihres Erwachens aus der gegenwärtigen starren Passivität sein.

Es lag deshalb im dringenden Interesse obiger Ziele, die Generalauseinandersetzung mit der ausschlaggebenden bürgerlich-imperialistischen Schicht der Partei möglichst hinauszuschieben und durch Mobilmachung der Massen zum aktiven politischen Leben vorzubereiten, um sie zur großen historischen Angelegenheit der proletarischen Klassenbewegung zu gestalten. Umgekehrt lag es im Interesse des bürgerlichen Imperialismus, den nunmehr offensichtlich unvermeidlichen organisatorischen Zerfall der Partei möglichst zu beschleunigen, um die Generalauseinandersetzung größten Stils zu vermeiden, um den organisatorischen Zusammenbruch der Sozialdemokratie der Mitwirkung und Einwirkung der Massen zu entziehen, um ihn auf einen möglichst kleinen Maßstab zu reduzieren und aus einer großen Klassenangelegenheit des aufbrausenden Proletariats zur internen „Spaltungs“-Angelegenheit der Parteikonventikel zu machen.

Die jetzt herbeigeführte und erzwungene Spaltung der Partei durch den Parteivorstand und seine Anhänger ist ein neuer Beweis, daß die bürgerlich-imperialistischen Elemente in der Partei unbeschränkt herrschen, daß sie ihre Politik ungehindert durchsetzen, daß sie eine aktive zielbewußte Angriffspolitik führen, während die Arbeitsgemeinschaft[1] und ihre Anhänger konsequent und hartnäckig der Taktik der Passivität und Defensive treu bleiben. Indem sie die gerade zur Aufrüttelung der Massen dringend notwendige Spaltung der Reichstagsfraktion möglichst hinausgeschoben hatten, bis sie ihnen auch hier von der Rechten aufgezwungen wurde; indem sie alle Gelegenheiten zu einem offenen schroffen Kampf gegen die Rechte und zu ihrer Entlarvung vor den Massen im Reichstag, in den Organisationen ungenutzt ließen; indem sie der Aufrüttelung der Massen zur Selbstbetätigung tunlichst aus dem Wege gingen; indem sie die Auseinandersetzung mit dem Parteivorstand in allen Stadien aus einer großen politischen Angelegenheit der Massen zu statutarischen Kompetenzstreitigkeiten, juristischen Feststellungen und ohnmächtigen Deklarationen der Instanzen degradiert haben, – haben die Anhänger der Arbeitsgemeinschaft zur Stärkung der Position der Rechten nach Kräften beigetragen und es ihr so ermöglicht,

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[1] Siehe S. 993, Fußnote 4.