Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 881

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Schicksalen der Maifeier erlebt,[1] wie die Frage der Unterstützung zum verhängnisvollen Hemmschuh für die Aktion selbst gemacht werden kann. Um so mehr Grund, daß wir bei dem Sammeln von Geldmitteln für den Massenstreik der Arbeiterschaft klar und scharf einprägen: Der Schwerpunkt der Vorbereitung liege nicht in den Kassen, sondern in der Bereitschaft der Massen, jegliche Opfer des Kampfes, auch den Hunger, auf sich zu nehmen. Der wirkliche „Kampffonds“ jeder großen historischen Bewegung ist nicht klingendes Geld, sondern der Idealismus der Massen und die vorwärtsstrebende, konsequente Politik ihrer Führer.[2]

Volksstimme (Chemnitz),

Nr. 138 vom 19. Juni 1914.[3]

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[1] Siehe auch Rosa Luxemburg: Zum 1. Mai 1907. In: GW, Bd. 7/1. S. 103 f.; dies.: Der 1. Mai und der Klassenkampf. In: ebenda, S. 572 ff.; Rede am 1. Mai 1910 auf einer Massenversammlung unter freiem Himmel in Köln. In: ebenda, Bd. 7/2, S. 620 ff.; dies.: Maigedanken. In: ebenda, S. 948 ff.

[2] Die Redaktion der Volksstimme (Chemnitz) fügte der Erläuterung einen Nachspann an, in dem es u. a. hieß: Rosa Luxemburg hätte gewiß recht, aber der Ertrag einer Sammlung bezeuge doch auch, wie weit die Massen wirklich entschlossen seien, „einstweilen wenigstens ein Geldopfer auf sich zu nehmen“. Im übrigen sei auch die praktische Bedeutung des Geldbeutels nicht zu unterschätzen.

In den Polizeiakten befindet sich am 24. Juni 1914 der Vermerk, daß auf Anregung des Parteivorstandes der „Massenstreikfonds“ in einen „Wahlrechtsfonds“ umgetauft werden sollte, um „einem evtl. Einschreiten der Behörde“ vorzubeugen. „Im Parteivorstand ist man bekanntlich mit der Gründung eines Massenstreikfonds durchaus nicht einverstanden, dagegen stände der Gründung eines ‚Wahlrechtsfonds‘, an dem nicht nur Groß-Berlin, sondern ganz Preußen beteiligt ist, seinerseits nichts im Wege.“ Siehe LAB, A Pr. Br., Rep 030, Nr. 15910, Bl. 79 und 79 R.

[3] Am 19. Juni 1914 sandte ein Staatsekretär des Reichsjustizamtes an den Reichskanzler ein Schreiben, in dem er zu den Massenstreikversammlungen der Sozialdemokratie im Zusammenhang mit Veränderungen im Strafgesetzbuch Stellung nahm. Darin heißt es u. a.: „Wer also zum Massenstreik auffordert und dabei – was regelmäßig der Fall sein wird – damit rechnet, daß seine Aufforderung in mehr oder weniger zahlreichen Fällen zum Kontraktbruch führt, macht sich nach § 110 strafbar […] Wenn der Massenstreik, wie es hier zutrifft, politischen Zwecken dienen soll, kommen weiter die Strafbestimmung gegen den Hochverrat in Frage. Eines Hochverrats macht sich nach § 82 Nr. 2 schuldig, wer es unternimmt, die Verfassung eines Bundesstaates gewaltsam zu ändern. Zu der Verfassung ist das Wahlrecht für die Volksvertretung zu rechnen. Jede eine gewaltsame Änderung des Wahlrechts vorbereitende Handlung ist deshalb nach § 86 mit Zuchthaus oder Festungshaft von ein bis drei Jahren, bei mildernden Umständen mit Festungshaft von sechs Monaten bis zu drei Jahren zu bestrafen […] Bei der Vorbereitung des neuen Strafgesetzbuchs ist die Frage der strafrechtlichen Bekämpfung des Massenstreiks Gegenstand eingehender Erörterungen gewesen. Die Strafrechtskommission hat […] eine neue Vorschrift beschlossen, wonach die Arbeitseinstellung unter Kontraktbruch sowie die passive Resistenz in einer Reihe von für die Versorgung der Allgemeinheit wichtigen Betrieben unter Strafe gestellt wird (§§ 271, 272). Für die Bekämpfung des Massenstreiks ist ferner wichtig, daß nach den Beschlüssen der Kommission der § 110 des Strafgesetzbuchs dahin erweitert worden ist, daß neben der Aufforderung zum Kontraktbruch auch die bloße Anreizung dazu getroffen wird (§ 210).“ Siehe BArch, R 43/1395 n, Bl. 239–240 R.