Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 696

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-7-2/seite/696

Die äußerst interessanten Darlegungen über unsre Programmforderung in bezug auf die Volkswehr[1] fanden den ungeteilten Beifall und oft die stürmische Zustimmung der Versammlung, in der sich, wie immer bei solchen Anlässen, auch diesmal sehr viele Bürgerliche befanden. Wir wollen nicht ein Heer, das auf Vater und Mutter schießt, wir wollen ein Heer, das Vater und Mutter verteidigt. (Stürm[ische] Zust[immung].) In dieser Zeit der nervösen Angst der Herrschenden feiert der Kapitalismus Triumphe über Triumphe. Wir können’s zufrieden sein. Je rascher und größer sich der Todfeind entwickelt, desto schneller gelangen wir ans Ziel. Rednerin geht noch auf die letzte Freveltat des jetzigen Reichstags, die Reichsversicherungsordnung,[2] kurz ein. Überall weht scharfer Wind. Aber je schärfer der Wind, desto lustiger flattert das sozialdemokratische Banner, und die Zeit naht mit Riesenschritten, in der die ganze volksfeindliche und kapitalistische Herrlichkeit zum Teufel fährt. (Stürm[ischer] lang anh[altender] Beif[all].)[3]

Volksstimme (Magdeburg),

Nr. 222 vom 22. September 1911.

Nächste Seite »



[1] Gemeint ist die Forderung im Programm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, das vom Erfurter Parteitag 1891 angenommen worden ist, die lautet: „Erziehung zur allgemeinen Wehrhaftigkeit. Volkswehr an Stelle der stehenden Heere. Entscheidung über Krieg und Frieden durch die Volksvertretung. Schlichtung aller internationalen Streitigkeiten auf schiedsgerichtlichem Wege.“ Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten zu Erfurt vom 14. bis 20. Oktober 1891, Berlin 1891, S. 4.

[2] Am 30. Mai 1911 wurde im Deutschen Reichstag die Vorlage zur Reichsversicherungsordnung angenommen, ohne daß die von der Sozialdemokratie gestellten Forderungen nach höheren sozialen Leistungen und deren Ausdehnung auch auf Landarbeiter sowie nach einer Herabsetzung des Rentenalters berücksichtigt wurden. Gegen den weiteren Abbau der demokratischen und sozialen Rechte hatte es wiederholt Protestversammlungen gegeben.

[3] An der Versammlung nahmen über 2000 Männer und Frauen teil.