Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 1068

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daß sobald es bekannt wurde, daß die ausländischen Parteien oder Parteiteile, die der Sache des Sozialismus treu geblieben sind, und namentlich unsere russischen Brüder, nach Stockholm gehen würden, auch die deutsche Opposition sich beteiligen müsse, selbstverständlich unter den nötigen Vorbehalten.

Wenn deshalb die Bremer „Arbeiterpolitik“ behauptet, daß die Arbeitsgemeinschaft nach Stockholm gehe, um „Friedensgastmähler“ mit den Scheidemännern zu feiern, aber daß die Gruppe „Internationale“ sich von der Stockholmer Konferenz fernhalte, so ist beides unwahr. Es mag ein Fehler sein, daß die Arbeitsgemeinschaft nicht von vornherein jeden falschen Schein zerstreut hat, indem sie den Inhalt der Mandate veröffentlichte, die sie ihrer Abordnung mitgibt. Die Gruppe „Internationale“ aber hat von vornherein aus aller Entschiedenheit erklärt, sie ginge nach Stockholm, nur unter der Bedingung, unter keinen Umständen mit den Scheidemännern an einem Tische zu sitzen. Es gehört wirklich ein ungewöhnliches Schwadroniertalent und ein nicht minder ungewöhnlicher Mangel an Wahrheitsliebe dazu, dieser ganz einfachen und klaren Sachlage alle die Beschimpfungen herauszudrechseln, womit die Bremer „Arbeiterpolitik“ die Gruppe „Internationale“ überschüttet.

Schließlich soll der „Kampf“ dem „moralischen Getue“ der Scheidemänner Glauben geschenkt und auf deren „schöne Worte hereingefallen“ sein, was sich die Scheidemänner selbst nicht hätten träumen lassen. Bewiesen wird diese für uns gewiß sehr kompromittierliche Behauptung dadurch, daß wir in unserer Nr. 49 vom 11. Mai geschrieben haben: „Was den Entschluß der Regierung anbetrifft (nämlich den Delegierten der Unabhängigen Sozialdemokratie Pässe nach Stockholm zu erteilen), so ist er flehentlichen Bitten der Regierungssozialisten zu danken.“ Soweit ist jetzt der Satz richtig zitiert, aber wir erlauben uns, zu ergänzen, was die Bremer „Arbeiterpolitik“ in ihrem anscheinend wörtlichen Nachdruck unseres Artikels zu zitieren vergessen hat. Der ganze Satz lautet:

„Was den Entschluß der Regierung anbetrifft, so ist er flehentlichen Bitten der Regierungssozialisten zu danken, die sich durch den Stempel reiner Regierungsagenten gebrandmarkt fühlten, der ihnen dadurch aufgedrückt worden war, daß ihnen zwar die Pässe nach Stockholm bewilligt, mehreren Mitgliedern der Unabhängigen Sozialdemokratie aber abgeschlagen worden waren. Die Regierungssozialisten wimmerten im Hauptausschuß des Reichstags so herzbrechend, daß die Regierung, um diese ihr getreue Gefolgschaft nicht allzu sehr zu kompromittieren, sich nach anfänglichem Sträuben bereit erklärte, auch den Delegierten der deutschen Opposition Pässe zu erteilen.“[1]

Diese Sätze hat die Bremer „Arbeiterpolitik“ unterschlagen, und sie wußte es freilich wohl, wenn sie sich auf ihrer Behauptung, daß der „Kampf“ auf das „moralische

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[1] Siehe S. 1055 f.