Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 89

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-2/seite/89

güter den Arbeiterpensionskassen zuzuführen, dann verzichtete sie überhaupt auf das Recht, die Vermögen der aufgelösten Orden für die Staatskasse zu reklamieren, dann gestand sie den „Berechtigten“ eine dreißigjährige Frist zur Rückforderung der frei gewordenen Ordensgüter zu. Gleichzeitig wurde die Bestimmung in das Gesetz aufgenommen, wonach jede politische oder gewerkschaftliche Arbeiterorganisation von internationalem Charakter jederzeit durch Dekret aufgelöst werden kann. Endlich schrumpfte die ganze Aktion gegen die Geistlichkeit zu einem Verbot des Unterrichts für nichtautorisierte Orden zusammen.

Das Assoziationsgesetz war die Schluß- und Feuerprobe sowohl für die Regierung „der republikanischen Verteidigung“ wie für die Jaurèssche Theorie der sozialistisch-radikalen Regierungsfähigkeit, und sie fiel für beide gleich vernichtend aus. Die „republikanische Majorität“ erwies sich als ein Bollwerk nicht der republikanischen Verteidigung gegen die Reaktion, sondern der kapitalistischen Verteidigung gegen die Arbeiterklasse, die radikal-sozialistische Regierung erwies sich als gehorsame Dienerin dieser kapitalistischen Mehrheit und die ministeriellen Sozialisten als die Dupes der „republikanischen Allianz“.

Jede Illusion war nunmehr unmöglich. Bei dem Amnestiegesetz hat es geheißen, die Kapitulation sei „zur Beruhigung der Gemüter“, zur Beschwichtigung der noch gärenden republikanischen Krise notwendig – das Assoziationsgesetz wurde bereits in der ödesten Ruhe des republikanischen Werkeltags verhandelt. Die Erstickung der Dreyfus-Affäre galt nur als die Einleitung, als vorbereitendes Akzessorium – die Aktion gegen den Klerus dagegen als das eigentliche Werk, mit dem die „republikanische Verteidigung“ abgeschlossen wurde und von dem ab die Ära des normalen parlamentarischen Fortwurstelns begann. Keine Vertröstungen und Hinweise mehr auf weiter bevorstehende große Aufgaben konnten diesmal über das Verhalten der Kammermehrheit und des Ministeriums hinweghelfen. Mit dem Assoziationsgesetz sind die Akten der „republikanischen Verteidigung“ geschlossen, und sie zeigen in letzter Rechnung den Verrat der radikalen Regierung an ihren republikanischen Aufgaben, den Verrat der republikanischen Bourgeoisie an ihren sozialistischen Alliierten und – den Verrat der ministeriellen Sozialisten am Sozialismus.

In den Verhandlungen über das Amnestiegesetz hatten es die Verhältnisse mit sich gebracht, daß beide sozialistische Fraktionen, obwohl sie von entgegengesetzten Gesichtspunkten ausgingen, in ihrer Stellung zusammentrafen. Der rechte Flügel akzeptierte die Amnestie entgegen seiner Haltung in der Dreyfus-Krise, der linke akzeptierte sie gemäß seiner Haltung in

Nächste Seite »