Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 77

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Die badische Budgetabstimmung

Auf einem unserer Parteitage ist einmal gesagt worden, wir sollten froh sein, wenn in unseren Reihen „neue Gesichtspunkte“ auftauchten, damit in das „alte regelmäßige Agitationsgeklopfe“ einige Abwechslung komme. Nun, es scheint nach wie vor redlich dafür gesorgt zu werden, daß das eintönige „Agitationsgeklopfe“ der Partei von Zeit zu Zeit eine interessante Unterbrechung erfährt. Diese erfrischende Wirkung haben nämlich inmitten des gleichmäßigen intensiven Abwehrkampfes gegen die vordringende Reaktion die periodisch in unseren Reihen gemachten Seitensprünge, wie nun wieder die Budgetbewilligung unserer Landtagsabgeordneten in Baden[1] einer ist.

Zur Begründung oder genauer Rechtfertigung dieses Aktes, der unsere bisherige, allgemein anerkannte Kampfweise über den Haufen wirft, werden freilich lauter Gründe angeführt, die nicht nur fadenscheinig, sondern längst in der Diskussion abgetan sind.

Was Fendrich und Genossen in der Tat auf der letzten Parteikonferenz in Offenburg[2] vorzubringen wußten, war bloß das alte Lied, daß die Budgetabstimmung eine Frage der Taktik und nicht des Prinzips sei und daß die Budgets der deutschen Einzelstaaten im Unterschied von dem des Reiches zum größten Teile nicht Militär-, sondern Kulturausgaben enthalten. Es stehe demnach den sozialdemokratischen Abgeordneten völlig frei, ihr Verhalten wie in allen Fragen der Taktik nach der politischen Lage des Augenblicks einzurichten, das heißt, je nach den Umständen für oder wider das Budget zu stimmen, und zugleich liege für die Partei in

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[1] Am 28. Mai 1900 hatten die sozialdemokratischen Vertreter im badischen Landtag dem Budget der bürgerlichen Regierung zugestimmt.

[2] Die Landesversammlung der badischen Sozialdemokraten fand am 24. Februar in Offenburg statt.