Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 111

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tags, den Beschluß des Brüsseler Kongresses zu sanktionieren und der gesamten Arbeiterschaft zur Befolgung einzuschärfen.

Aber der Lübecker Parteitag hat noch weiteres zu tun. Es wird nämlich seine Aufgabe sein, außer der Erledigung des vorliegenden einzelnen Streitfalls auch eine allgemeine Regel in bezug auf die gegenseitigen Kompetenzsphären der Partei und der Gewerkschaften aufzustellen. Der Hamburger Streit und die Stellungnahme der Partei dazu ist als Präzedenzfall für unsere Beziehungen zu der gewerkschaftlichen Organisation von größter Tragweite. Bei seiner Entscheidung muß der Parteitag deshalb von den Besonderheiten gerade dieses einzelnen Falles sich nicht beherrschen und bestimmen lassen, sondern vielmehr von ihnen ganz abstrahieren. Denn eine noch viel wichtigere Frage als die: Was soll mit den Hamburger Akkordmaurern geschehen? ist die andere, von ihr unzertrennliche: Wie stellen wir uns als Partei zu den gewerkschaftlichen Vergehen unserer Mitglieder?

II

Es sind nur zwei Standpunkte möglich, von denen aus die Partei einen an sie herantretenden gewerkschaftlichen Fall aburteilen kann, entweder der formalistische Standpunkt der Disziplinwidrigkeit, bei dem wir uns als Partei jeder Prüfung der sachlichen Berechtigung oder Nichtberechtigung der einschlägigen Ansichten auf beiden Seiten enthalten und nur die Weigerung, den Satzungen der Mehrheit zu folgen, zum Gegenstand der Rechtsprechung machen, oder der Standpunkt der sachlichen Prüfung jedes einzelnen Falles in seinen konkreten Zusammenhängen und das Aburteilen aus diesen Zusammenhängen und aus der jedesmaligen eigenen Ansicht der Partei heraus.

Den ersten, formalistischen Standpunkt vertreten die Generalkommission der Gewerkschaften und eine Reihe Gewerkschaftsblätter, für die sich der Ausschluß der Hamburger Akkordmaurer aus den bloßen äußeren Kennzeichen des Streikbruchs ohne weiteres ergibt. Ihre Opposition richtet sich viel weniger gegen das Urteil selbst des Hamburger Schiedsgerichts als gegen dessen „seltsame Begründung“, gegen „das Bestreben, dem Streikbruch das Brandmal der Ehrlosigkeit auszulöschen, ihn als Notwehr zu entschuldigen und dadurch gewissermaßen dort zu sanktionieren, wo neben Arbeitsdifferenzen noch organisatorische Streitigkeiten in Frage kommen“. (Correspondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaf-

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