Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 356

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-2/seite/356

der polnischen Sozialisten ihre ursprünglichen theoretischen Anschauungen zu Denkformen, aus denen der eigentliche Inhalt vollkommen verschwunden war und die sie mit blanquistischem Inhalt füllten.

VII

Wie gewöhnlich in ähnlichen Fällen, je weniger die vom „Proletariat“ angenommenen taktischen Anschauungen auf günstigen Boden fielen und Anwendungsmöglichkeiten fanden, um so schärfer und gellender drückten sie sich in den von der Partei verkündeten Losungen aus. Insbesondere in dem Maße, wie die polizeilichen Repressalien die ältere Generation der Funktionäre des „Proletariat“ vom Schauplatz verdrängten, wie die Parteiagitation im Lande schwächer wurde und sich trotz der aufopferungsvollen Bemühungen mutiger einzelner, die die Fahne des „Proletariat“ bis zuletzt anzog, notwendig in einer unfruchtbaren Zirkelarbeit abgrenzte, griff in der Parteiliteratur schnell die vulgäre „revolutionäre“ Phrase um sich, die aller sie vertiefenden theoretischen Besprechungen beraubt ist. Schon der „Przedświt“ aus dem Jahre 1885 betreibt die gedankenloseste Apotheose der Mittel der Gewalt, indem z. B. in neun langen Spalten die Frage des Königsmordes behandelt und mit vollem Ernst die Frage untersucht wird, ob man die Herrscher erst nach der begonnenen Revolution durch ein Volksurteil töten soll oder ob es praktischer wäre, die Revolution gleich mit der Tötung der Herrscher zu beginnen.[1]

Zweifellos gibt sich heute keiner der Sozialisten mit Ausnahme von Phantasten Bernsteinschen Schlages den Illusionen hin, daß irgendein ernsthafter politischer Umsturz, noch weniger ein sozialistischer Umsturz, auf „legalem“, friedlichem Wege möglich ist, daß konterrevolutionäre

Nächste Seite »



[1] Siehe den Artikel „Wie Könige enden sollten“. In: Przedświt, 1885, Nr. 6–8. In bezug auf das politische Niveau kommt dieser Artikel eigentlich einem interessanten Gedicht gleich, das bereits im „Przedświt“, Nr. 1 vom 1. Oktober 1883, abgedruckt wurde:

Vorwärts, vorwärts, Arbeiter!

Heda, die Waffen schnell gegriffen!

An den Dreschflegel, an die Runge.

Wir befreien uns vom Elend!

Was tutʼs, daß der Blutstrom fließt,
Was tutʼs, daß das Erz uns anbrüllt,
Was tutʼs, daß viele von uns fallen
Bei den Foltern, in Sibirien,

Unser Opfer bleibt nicht unbelohnt,

Wenn nach dem Morden und Zerstören
Das Morgenrot der Freiheit leuchtet. [Fußnote im Original]