Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 355

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-2/seite/355

die Sprache des Marxismus war, mit der die Partei völlig unmarxistische Begriffe ausdrückte.

Das „Proletariat“ erkannte ganz im Geiste des Kommunistischen Manifestes an, daß die eigentliche Grundlage für die sozialistische Bewegung und für die Verwirklichung des Sozialismus die „bürgerliche Ordnung“ ist. Aber es verstand darunter nur die ökonomische Seite, die kapitalistische Produktionsweise, nicht aber auch die politische, die unmittelbare Herrschaft der Bourgeoisie in der Regierung und Gesetzgebung. Zugleich hielt das „Proletariat“ für die Grundlage des Sozialismus die Existenz der kapitalistischen Wirtschaft in bestimmten Dimensionen, nicht aber ihre Entwicklung, hielt es den Kapitalismus für einen Zustand und nicht für einen Prozeß.

Weiter erkannte das „Proletariat“ die „Organisation der Arbeiterklasse“ als Gewähr für die Verwirklichung des sozialistischen Umsturzes an. Aber es verstand darunter eine Vereinigung der Arbeitermassen nur für den Moment des sozialen Umsturzes, nicht für den täglichen Kampf gegen die herrschenden Klassen; das „Proletariat“ hielt es für möglich, die Massen durch die Verbreitung der Ansicht von der Unerläßlichkeit der Revolution zu organisieren, nicht allmählich im Laufe des Kampfes selbst im Namen der Tagesinteressen, mit einem Wort, es verstand die Organisation der Arbeiterklasse als ein künstliches Produkt der sozialistischen Agitation und nicht als ein natürliches historisches Produkt des Klassenkampfes, in die die sozialistische Agitation nur das Bewußtsein hineinträgt.

Das „Proletariat“ erkannte zwar den „Klassenkampf“ als das A und O des Sozialismus an, verstand aber darunter hauptsächlich den Zusammenstoß des Proletariats mit der Bourgeoisie in der Form einer Revolution und hielt auf diese Weise ein Moment des historischen Prozesses für den Gesamtprozeß.

In Anbetracht all dieser Begriffsverkehrungen drückte schließlich auch die „soziale Revolution“ im Sprachgebrauch des „Proletariat“ etwas ganz anderes aus als im Sinne der Sozialdemokratie, indem sie nicht das politische Resultat der Reife der Produktivkräfte bedeutete, Fesseln des Kapitalismus zu sprengen, sondern lediglich das Resultat der beliebigen Anwendung der politischen Gewalt durch eine kleine Minderheit von Sozialisten, die das Volk auf Grund seiner Unzufriedenheit mit der bestehenden Ordnung und seiner Sehnsucht nach Änderung zum Besseren mitreißt.

Auf diese Weise wurden in der allmählichen geistigen Veränderung

Nächste Seite »