Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 159

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Resolution über die Wreschener Affäre

[1]

Das Internationale Sozialistische Büro, versammelt zur Konferenz in Brüssel am 30. Dezember 1901, spricht im Namen des sozialistischen Proletariats aller Länder seine höchste Empörung aus über die preußische Germanisierungspolitik, die sich nicht scheut, gegenüber der polnischen Bevölkerung zu dem barbarischen Mittel gewaltsamer Unterdrückung der Muttersprache zu greifen.

Das Büro brandmarkt zugleich die Heuchelei und Verlogenheit der herrschenden Klassen, die sich in Deutschland in der Entrüstung über die englischen Barbareien im Burenlande nicht genugtun können und zu gleicher Zeit die krasseste Unterdrückungspolitik ihrer eignen Regierung gegenüber den Polen in Deutschland gutheißen und fördern. Das Internationale Sozialistische Büro fordert endlich das polnische arbeitende Volk auf, gegen die Unterdrückung seiner geistigen und nationalen Kultur wie gegen seine ökonomische Ausbeutung Schutz zu suchen unter dem Banner der internationalen Sozialdemokratie und aus allen Kräften mitzuarbeiten an der Beschleunigung ihres Sieges, der allein die volle geistige wie materielle Freiheit und Gleichheit herbeiführen wird.

Vorwärts (Berlin),

Nr. 1 vom 1. Januar 1902.

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[1] In Wreschen, einer Kreisstadt der damaligen Provinz Posen, waren am 20. Mai 1901 polnische Kinder von einem Lehrer schwer mißhandelt worden, weil sie im Unterricht Fragen nicht in deutscher Sprache hatten beantworten wollen. Die empörten Eltern verteidigten ihre Kinder. Einige Eltern wurden daraufhin wegen „Landfriedensbruchs“ zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Das Vorgehen der preußischen Behörden erregte auch im Ausland so großes Aufsehen, daß der Reichstag gezwungen war, sich damit zu beschäftigen. – Aus einem Brief Rosa Luxemburgs vom 22. Dezember 1901 an Leo Jogiches geht hervor, daß sie diese Resolution verfaßt hat, die dann von Karl Kautsky und Paul Singer im Internationalen Sozialistischen Büro eingebracht und einstimmig angenommen wurde. (Siehe Róża Luksemburg: Listy do Leona Jogichesa-Tyszki, Bd. 2, Warschau 1968, S. 126 u. 127; GW, Bd. 1, Berlin 1989, S. 546.)