Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 344

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Teil des sozialistischen Programms realisieren wird, dessen Verwirklichung im Augenblick des Umsturzes möglich sein wird“[1].

Hier wird der Sturz der „bestehenden Regierung“ (prawitelstwa), also des Zarismus, schon ganz deutlich als direkte Einleitung der sozialen Revolution angenommen; der Kampf gegen den Despotismus verliert vollkommen den Charakter des täglichen Kampfes auf dem Boden der bürgerlichen Gesellschaftsordnung; die Distanz zwischen den Minimalforderungen und den Endzielen, zwischen dem politischen Programm und dem Programm des sozialistischen Umsturzes schwindet, und die tägliche Aktion verwandelt sich in eine unmittelbare Spekulation auf den „Ausbruch“, der den sozialen Umsturz sofort einleiten soll.

Dementsprechend behandelt das Zentralkomitee im weiteren alle Details des „Ausbruchs“, verspricht, den „staatlichen Umsturz“ (gosudarstwennowo pereworota) nicht eher zu beginnen als auf ein vom Exekutivkomitee der „Narodnaja Wolja“ gegebenes Signal, behält sich nach dem Umsturz „in seinen schöpferischen Arbeiten“ (sosidatelnych rabotach) Selbständigkeit vor usw.

Mit einem Wort, wir haben hier, trotz der im Dokument außerdem hervorgehobenen Gesichtspunkte des Klassenkampfes, der Massenagitation usw., ein typisches Programm des Blanquismus; das Dokument aber, das die praktische Verwirklichung der Idee krönt, die in dem Aufruf an die russischen Genossen zum Ausdruck gebracht wurde, ist auf diese Weise zugleich der Schlußpunkt einer Kette allmählicher Umgestaltungen des polnischen Sozialismus.

V

Die Wandlung der politischen Anschauungen der Partei mußte sich natürlich in ihrer praktischen Tätigkeit widerspiegeln.

Das zeigte sich in zwei Kardinalpunkten: im Schwinden der Massenagitation und im Schwinden der politischen Agitation überhaupt.

Theoretisch stützte sich die Partei „Proletariat“ entsprechend den Grundsätzen ihres Programms auf den Klassenkampf und unterstrich stark bis zum Ende die Bedeutung des Massenkampfes und der Agitation auf dem Boden der Tagesinteressen.[2] Nachdem sie sich aber einmal den direkten

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[1] Siehe Westnik Narodnoi Woli, 1885, Nr. 4, S. 242. [Fußnote im Original]

[2] In der erwähnten Vereinbarung des Zentralkomitees mit dem Exekutivkomitee der „Narodnaja Wolja“ finden wir noch einen prägnanten Absatz: „Auf diese Weise beruht die Tätigkeit der Partei hauptsächlich darauf, unter den Arbeitern das Bewußtsein ihrer klassenmäßigen Besonderheit zu verbreiten, einerseits auf dem Wege der Propaganda des Sozialismus und andererseits auf dem Wege der Agitation unter den Massen auf der Grundlage der nächstliegenden Tagesinteressen und auf dem Wege des organisierten Kampfes um diese Tagesinteressen gegen die privilegierten Klassen und die Regierung, dessen Resultat die Desorganisierung des bestehenden Staatsmechanismus sein muß.“ (l. c.) [Fußnote im Original]