Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 345

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sozialistischen Umsturz zum Ziel gesetzt hatte, und zwar auf dem Wege der Verschwörung einer „mutigen Minderheit“, verlor sie den eigentlichen Faden des Massenkampfes. Schon in der Konzeption der Taktik selbst, wie sie z. B. der von uns erwähnte Artikel „Wir und die Bourgeoisie“ in Nr. 3 der Schrift „Proletariat“ formuliert, ist den Volksmassen bis zum Augenblick des sozialen Umsturzes eine völlig passive Rolle zugedacht. „Die Masse erkennt ihre Unfähigkeit zur Durchführung eines Umsturzes an, sie sucht Menschen, denen sie vertrauen, denen sie die Führung übertragen könnte, und schweigt bis zu dieser Zeit.“ Die Verteilung der revolutionären Rollen entspricht in dieser Theorie also der antiken griechischen Tragödie: Die einzelnen handeln, und die Masse bildet den Chor, das heißt das passive Echo der Taten der einzelnen.

Die blanquistische Taktik verändert somit eigentlich den Grundsatz: Die Befreiung der Arbeiter muß das Werk der Arbeiter selbst sein, in den Grundsatz: Die Befreiung der Arbeiter muß das Werk einer Handvoll Verschwörer sein.

Außerdem schließt allein die Technik des Verschwörerkampfes die Massentätigkeit aus. Weder die Verschwörung, mit welchem Programm auch immer verbunden, noch der Terrorismus als hauptsächliches und ständiges Kampfsystem waren jemals Sache der Massen und können es ihrer Natur nach nicht sein, sondern lediglich die eines kleinen Kreises von einzelnen. In Anbetracht dessen mußte die vom „Proletariat“ verkündete Massenagitation ein Grundsatz ohne Anwendung bleiben.

Zwar pflegen als Beweis der Massenagitation des „Proletariat“ gewöhnlich zwei bekannte Tatsachen aus seiner Tätigkeit angeführt zu werden die Aktion wegen der Verordnung des Warschauer Oberpolizeimeisters im Februar 1883[1], die die ärztliche Untersuchung der Arbeiterinnen betraf, sowie die Demonstration der Arbeitslosen[2] auf dem Schloßplatz in Warschau im März 1885.

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[1] Im Februar 1883 hatte der Warschauer Oberpolizeimeister Buturlin eine Verordnung erlassen, nach der sich alle in der Industrie, im Handel und Gewerbe beschäftigten Frauen ärztlich untersuchen lassen mußten. Durch die einsetzende Agitation, geleitet von der Partei „Proletariat“, war die zaristische Regierung gezwungen, die Verfügung aufzuheben.

[2] Am 2. März 1885 hatte in Warschau eine größere Demonstration von Arbeitslosen vor dem Schloß, dem Sitz des Generalgouverneurs, stattgefunden. Zaristische Truppen zerschlugen die Demonstration und verhafteten einige Demonstranten.