Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 83

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politisch nur ein Territorium bilden, ebenso sind die Budgets der Einzelstaaten lediglich Ergänzungen zum Reichsbudget, mit dem sie politisch ein organisches Ganzes darstellen und von dem sie nur kraft äußerer historischer Eigentümlichkeiten gesondert aufgestellt und votiert werden.

Um dies einzusehen, bedarf es durchaus nicht der sozialdemokratischen Grundsätze. Auch eine jede bürgerliche Partei, die mit der Bekämpfung des Militarismus in Deutschland wirklich Ernst machen würde, müßte, sofern sie einigermaßen auf Weitblick und großangelegte Politik hielte, in den Einzelstaaten dieselbe Oppositionsstellung einnehmen wie dem Reiche gegenüber. Vom Standpunkt der Sozialdemokratie aber, die in ihrer Tätigkeit in allen Stücken auf die politische Entwicklung in ihrer Gesamtheit, in ihren großen Zusammenhängen ausgeht, ist die künstliche Trennung der Politik der Einzelstaaten von der des Reiches ein direkter Rückfall in die kleinbürgerlich-partikularistische Beschränktheit, und die Bewilligung der Finanzmittel an die Einzelstaaten erscheint als die Unterstützung in partibus desselben Militarismus und derselben Reaktion des Deutschen Reiches, die man durch die Ablehnung des Reichsbudgets bekämpft.

III

Jedesmal, wo man der Partei die Aufopferung ihrer prinzipiellen Stellung zumutet, geschieht es im Namen der „praktischen Politik“. Auch Fendrich erklärte in seinem Bericht auf der badischen Landeskonferenz, „daß man beim Eintritt in eine solche gesetzgebende Körperschaft (Landtag) die Erfahrung mache, daß man aus der Welt der idealen Begriffe in die der realen Verhältnisse trete, wo die Sachen sich hart im Raume stoßen. Wir müssen unser Augenmerk mehr auf das Erreichbare als auf das Wünschenswerte richten.“ (Der Volksfreund vom 27. Februar 1901.)

Vom Standpunkt des „Erreichbaren“ haben auch Fendrich und Genossen ebenso wie jetzt dem Ministerium Schenkel bereits früher wiederholt das badische Budget bewilligt. Was haben sie nun damit erreicht?

Stellen wir uns wiederum für einen Augenblick auf den eigenen Standpunkt unserer „praktischen Politiker“, und nehmen wir an, es handelte sich vor allem um die Sicherung der berühmten „kulturellen Forderungen“. Wäre das Schicksal des Budgets von der Abstimmung der sozialdemokratischen Fraktion abhängig, dann hätte die Budgetbewilligung, so verkehrt sie vom prinzipiellen wie vom taktischen Standpunkt war, wenigstens einen praktischen Sinn. Aber unsere Fraktion mit ihren sieben Mann bildet im

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