Arbeiterbewegung und Sozialdemokratie
[1]Leipzig, 4. Juni
Mitte dieses Monats wird der deutsche Gewerkschaftskongreß in Stuttgart zusammentreten.[2] Die diesjährige Tagung fällt so ziemlich mit einem äußerlichen Ruhepunkt in der Geschichte der Gewerkschaftsbewegung zusammen; die Krise, die seit Jahresfrist eingetreten ist, hat der Periode des wirtschaftlichen Aufschwungs in Deutschland ein vorläufiges Ende gemacht und damit auch die natürlichen Bedingungen der rapiden Aufwärtsbewegung der Gewerkschaften in den sieben fetten Jahren der industriellen Prosperität verschlechtert. In der gewaltigen Kraftanstrengung der Ausbreitung des gewerkschaftlichen Gedankens und der vielfachen Neubildungen innerhalb der Gewerkschaften ist eine natürliche Ruhepause eingetreten, die zum Rückblick auf die vollbrachte Arbeit, „die größte Leistung der deutschen Arbeiterschaft im vergangenen Jahrzehnt“, wie überhaupt zu Betrachtungen allgemeiner Art über das Verhältnis und die Zusammenhänge von Gewerkschaftsbewegung, Sozialdemokratie und Arbeiterbewegung überhaupt wohl reizen mag. Während nun die notwendige zahlenmäßige Unterlage zu solchen Räsonnements von der Generalkommission der Gewerkschaften mit anerkennenswertem Fleiß und umfassendem Überblick geliefert wird, gefallen sich gewisse Betrachtungen allgemeiner Natur darin, unter souveräner Mißachtung des gebotenen Materials die Begriffe Gewerkschaftsbewegung, Sozialdemokratie und Arbeiterbewegung in Beziehung zu setzen, die den ganzen Traditionen und der positiven Geschichte der Bewegung schnurstracks zuwiderlaufen. Es handelt sich ja dabei meist um Spielereien mit abstrakten Begriffen, denen