Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 281

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Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands vom 14. bis 20. September 1902 in München

[1]

I Antrag 128

[2]

Der Parteitag verurteilt aufs schärfste die Dienste, die dem russischen Zarismus von deutscher Seite in neuester Zeit geleistet werden[3] und Deutschland in ein unwürdiges Verhältnis zu der zarischen Reaktion stellen.

Der Parteitag spricht zugleich den unter den schwierigsten Verhältnissen ringenden russischen Genossen die wärmsten Sympathien und die aufrichtigste Bewunderung zu ihrem heldenmütigen Kampfe aus. Der Parteitag erwartet, daß sich zu diesem Kampfe um die Niederwerfung der asiatischen Despotie das Proletariat aller Nationen, die unter dem Joche des Absolutismus schmachten, einmütig zusammenfindet, um für das gesamte russische Reich demokratische Freiheiten zu erringen und zugleich die Kulturwelt endlich von dem größten Hort der Reaktion zu befreien, auf den die sehnsüchtigen Blicke aller kapitalistischen Regierungen gerichtet sind.

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[1] Redaktionelle Überschrift.

[2] Diese von Rosa Luxemburg und 20 Sozialdemokraten eingebrachte Resolution wurde einstimmig angenommen.

[3] Seit Anfang 1900 hatte sich in Berlin ein Zentrum verschiedener russischer revolutionärer Strömungen herausgebildet. Dort arbeitete u. a. eine Gruppe zur Unterstützung der „Iskra“-Bewegung, die mit W. I. Lenin in Verbindung stand. Die zaristischen Polizeiagenten, die zur Unterdrückung der gegen den Zarismus gerichteten Tätigkeit nach Berlin entsandt waren und deren Tätigkeit sich bis nach Sachsen ausdehnte, wurden von den deutschen Behörden in jeder Weise unterstützt. Sie erhielten alle erwünschten Personalunterlagen und Hinweise. In den Jahren 1901/02 wurden von den deutschen Behörden mehrmals russische Emigranten aus Deutschland ausgewiesen und damit den zaristischen Behörden ausgeliefert.