Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 491

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Die Revolution in Rußland

Die erste revolutionäre Massenerhebung des russischen Proletariats gegen den Absolutismus am 22. Januar in Petersburg[1] ist von der Knutenregierung „siegreich“ niedergeworfen, das heißt im Blute Tausender wehrloser Arbeiter, im Blute der hingemordeten Männer, Frauen und Kinder des Volkes erstickt worden. Es ist sehr wohl möglich, daß – wenigstens in Petersburg selbst – für den Augenblick eine düstere Ruhepause in der revolutionären Bewegung eintritt. Die Sturmwelle flutet nun von Petersburg, vom Norden, über das ganze Riesenreich herunter und erfaßt nacheinander alle größeren Industriestädte Rußlands. Wer einen Sieg der Revolution auf einen Schlag erwartete, wer sich jetzt, nach dem „Siege“ der Blut-und-Eisen-Politik in Petersburg, je nach der Parteistellung einer pessimistischen Niedergeschlagenheit oder einem vorzeitigen Jubel über die Wiederherstellung der „Ordnung“ hingeben wollte, der würde nur beweisen, daß die Geschichte der Revolutionen mit ihren inneren ehernen Gesetzen für ihn ein Buch mit sieben Siegeln geblieben ist.

Es dauerte eine Ewigkeit – wenigstens gemessen an der revolutionären Ungeduld und an den Qualen des russischen Volkes –, bis unter der jahrhundertealten Eisdecke des Absolutismus das Feuer der Revolution zur hellen Lohe entfacht wurde. Es mag und wird sicher eine ganze lange Periode furchtbarer Kämpfe dauern, mit abwechselnden Siegen und Niederlagen des Volkes, die unzählige Opfer kosten, bis die mordlustige, noch in ihrem Verenden schreckliche Bestie des Absolutismus endgültig niedergeschlagen wird. Wir müssen uns auf eine nach Jahren, nicht nach Tagen und Monaten zählende Revolutionsepoche in Rußland gefaßt machen, ähnlich der Großen Französischen Revolution.

Und doch – alle Freunde der Zivilisation und der Freiheit, das heißt die internationale Arbeiterklasse, kann jetzt schon jubeln aus vollem Her-

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[1] Siehe S. 479, Fußnote 1.