Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 445

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Internationaler Sozialistenkongreß vom 14. bis 20. August 1904 in Amsterdam

[1]

I Protest

Genosse Anseele hat in seiner Rede[2] die Äußerung getan, daß die zu beschließende Resolution den großen europäischen Parteien eine Taktik aufoktroyieren wolle, die durch die Abstimmung von Vertretern solcher Nationen bestimmt werde wie Rußland, Polen, Bulgarien, Spanien und Japan. Er hat dabei bemerkt, daß er, Anseele, an Stelle der Delegierten dieser Länder vielmehr sich der Abstimmung enthalten würde über die Fragen, die die großen europäischen Nationen angehen. Im Namen der russischen Sozialdemokratie, der polnischen Sozialdemokratie, der spanischen Arbeiterpartei, der bulgarischen Arbeiterpartei und der Sozialdemokratischen Partei Japans protestieren wir gegen diesen Versuch, die Kongreßmitglieder in aktive und passive zu scheiden und sozusagen ein europäisches Konzert der sozialistischen Großmächte zu bilden, das allein das Recht hat, über grundlegende Fragen des internationalen Sozialismus zu entscheiden. gez.: Plechanow, Luxemburg, Iglesias, Katayama, Rakowski. (Beifall.)

II Rede über die sozialistische Taktik

[3]

Kein einziger Redner hat Jaurèsʼ Haltung[4] verteidigt. Was hat man diese zwei Tage anders gemacht als Jaurès verurteilt, obwohl man ihn angeblich nicht verurteilen wollte. Das ist die historische Bedeutung dieser drei

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[1] Redaktionelle Überschrift.

[2] Der belgische Sozialist Édouard Anseele hatte am 19. August 1904 auf dem Internationalen Sozialistenkongreß in Amsterdam seinen opportunistischen Standpunkt zur Frage der Taktik verteidigt.

[3] Redaktionelle Überschrift.

[4] Jean Jaurès hatte auf dem Internationalen Sozialistenkongreß in Amsterdam die Haltung seiner Partei gegen die Resolution der deutschen Sozialdemokratie (Der Parteitag der deutschen Sozialdemokratie 1903 in Dresden hatte in einer mit 288 gegen 11 Stimmen angenommenen Resolution entschieden die revisionistischen Bestrebungen verurteilt, die an die Stelle der bewährten revolutionären Taktik des Klassenkampfes eine Politik der Zugeständnisse und der Kompromisse mit der bestehenden bürgerlichen Ordnung setzen wollten.) begründet: Die deutsche Sozialdemokratie sei nicht berechtigt, in der internationalen Arbeiterbewegung eine führende Rolle zu spielen, da sie keine revolutionären Traditionen besäße und eine falsche Klassenpolitik geführt hätte.