Eine Lex Leipzig
[1]Auf der Tagesordnung des nächste Woche in Stuttgart zusammentretenden Gewerkschaftskongresses[2] finden wir als achten Punkt die Stellung der Gewerkschaftskartelle in der Gewerkschaftsorganisation. Auf den ersten Blick wundert man sich, was die Delegierten des Kongresses für ein Bedürfnis haben mögen, über die durchaus klarliegende Stellung der Gewerkschaftskartelle in der Gewerkschaftsorganisation akademische Betrachtungen anzustellen. Liest man jedoch den Rechenschaftsbericht der Generalkommission der Gewerkschaften von den letzten zwei Jahren durch, so begreift man, daß für diesen Punkt der Tagesordnung zwar kein Bedürfnis der Gewerkschaften und ihrer Delegierten, wohl aber ein Bedürfnis der Generalkommission der Gewerkschaften besteht, die ein ganz spezielles Vorkommnis aus der Gewerkschaftsbewegung zum Anlaß einer Gelegenheitsgesetzgebung machen und zugleich diesen Vorgang gar zu gerne als Handhabe benutzen möchte, um das altbekannte Sehnen ihres Herzens nach Erweiterung ihrer Machtbefugnisse zu befriedigen.
Längst schon empfindet die Generalkommission der Gewerkschaften die drückende Beschränktheit ihrer Einflußsphäre. Mit dem ungeheuren Tatendrang in der Brust und dem erhebenden Machtbewußtsein, die Gesamtvertretung der deutschen Gewerkschaftsverbände zu sein, findet sie sich einem höchst bescheidenen Wirkungskreis gegenüber, sintemalen die wichtigsten Tätigkeitsgebiete in der deutschen Arbeiterbewegung längst anderweitig vergeben sind. Nachdem der Großmachtsdusel, mit der Sozialdemokratischen Partei als ebenbürtige Größe von Macht zu Macht zu verhandeln, kläglich Fiasko gemacht, versuchte sich der Betätigungstrieb der Generalkommission eine Zeitlang in utopistischer Projektemacherei, so bei dem