Der Sklaventanz in Frankfurt
Erscheinungen, wie der neuliche antisozialistische „Arbeiterkongreß“[1], können immer erst aus einiger Perspektive in ihrem Kern richtig erfaßt werden, und wenn unsere Parteipresse in der Beurteilung dieses Ereignisses anfangs etwas schwankte unter dem unmittelbaren Eindruck des wirren Durcheinanders scharfmacherischer und halb sozialistenfreundlicher, urreaktionärer und schroff radikaler Töne der bunten Versammlung zu Frankfurt, so liegt der eigentliche Charakter der Veranstaltung heute, nachdem sie sich im Geiste der gesamten bürgerlichen Presse bespiegelt hat, klar zutage.
Das Seltsamste wohl, das jener seltsamen Gesellschaft im Frankfurter katholischen Vereinshaus passierte, ist, daß diejenigen, deren Lieblingsträume sie bruchstückweise in Erfüllung brachte, sie offenbar gar nicht erkannt und anerkannt haben.
In der Tat fanden hier verschiedene himmelstürmende Ideen des Antimarxismus ihre Rechnung: die Tarifgemeinschaft, die in Frankfurt/Main[2] für ein Stück Sozialismus erklärt worden war, und die politische Neutralität nach dem Geschmack des Korrespondenzblatts der Buchdrucker[3], die
[1] Am 25. und 26. Oktober 1903 hatte in Frankfurt (Main) ein Kongreß stattgefunden, an dem etwa 200 Vertreter christlicher, nationaler und unabhängiger Berufsorganisationen sowie evangelischer und katholischer Arbeitervereine teilgenommen hatten. Dieser Kongreß hatte sich als Erster Deutscher Arbeiterkongreß deklariert.
[2] In der Quelle: Hannover. – Auf dem dritten Gewerkschaftskongreß vom 8. bis 13. Mai 1899 in Frankfurt (Main) war die Tarifgemeinschaft von Vertretern des Verbandes deutscher Buchdrucker verteidigt worden. Die Tarifgemeinschaft, eine Vereinbarung zwischen Gehilfen und Prinzipalen im Buchdruckgewerbe, stand zu dem Grundsatz von der unversöhnlichen Gegensätzlichkeit der Interessen zwischen Arbeitern und Unternehmern im Widerspruch.
[3] Gemeint ist der „Correspondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer“, das Organ des Verbandes deutscher Buchdrucker.