Purzelbäume der Taktik
[1]Die Verhandlungen der belgischen Kammer über die Wahlrechtsänderung werden voraussichtlich in nächster Woche beginnen. Die Regierung selbst hat gestern diesen Zeitpunkt vorgeschlagen, und der Führer der Linksliberalen, Huysmans, hat sich dem Vorschlag des Ministerpräsidenten angeschlossen.
Die Bewegung für die Verfassungsänderung hat, rein äußerlich betrachtet, in Belgien alles auf den Kopf gestellt. Sie hat die politisch rückständigste Partei, die Klerikalen, veranlaßt, die revolutionärste aller Verfassungsänderungen, die Einführung des allgemeinen Frauenstimmrechts, zu fordern. Dagegen hat die programmatisch-revolutionäre Partei der Sozialisten das Eintreten für die Gewährung des Wahlrechts an die Frauen aus taktischen Gründen abgelehnt, und um die Verwirrung voll zu machen, wenden sich jetzt gar die sozialistischen Republikaner an die Intervention der Krone. Der sozialistische „Peuple“ spielt ganz unbefangen den König Leopold für die sozialistischen Wahlrechtsanträge gegen die Regierung aus und spricht, selbstverständlich nach einigen Reserven im Sinne des republikanischen Programms, die Hoffnung aus, „daß gegen die Verbohrtheit der klerikalen Regierung seitens des Königs ein Wort des Friedens, der Weisheit und der Gerechtigkeit gesprochen werde“. „Wir sind und bleiben Republikaner, aber sicher ist, daß durch ein solch versöhnendes Wort mehr für die Erhaltung der Monarchie getan würde als durch die devoten Handlungen unserer Afterpatrioten. Wir messen den Reformen, die wir für das Volk fordern, viel zu große Wichtigkeit bei, als daß wir auf die Form einen besonderen Wert legten, selbst wenn es sich um die Form der Regierung handelt. Es gibt konservative, reaktionäre beziehentlich imperialistische Repu-
[1] Dieser Artikel ist nicht gezeichnet. Er wurde in die von Clara Zetkin und Adolf Warski herausgegebenen und von Paul Frölich bearbeiteten „Gesammelten Werke“ Rosa Luxemburgs aufgenommen.