Und zum dritten Male das belgische Experiment
[1]I Zur Antwort an Genossen É. Vandervelde
[2]Wenn wir mit unseren kritischen Bemerkungen über die letzte Wahlrechtskampagne der belgischen Genossen nicht gewartet haben, bis die Attacken der bürgerlichen Gegner in Belgien auf die Sozialdemokratie aufhören, so hat es zwei gute Gründe: erstens, weil wir wissen, daß unsere belgische Bruderpartei als echte Kampfpartei niemals aufhört, die Zielscheibe der gegnerischen Angriffe zu sein, und zweitens, weil wir gewohnt sind, daß der Genosse Vandervelde und seine Freunde sich nie besonders durch diese Angriffe geknickt fühlten, vielmehr stets mit einigen wohlgezielten Streichen an den bürgerlichen Angreifern unbekümmert ihres Weges vorbeigingen. Schien doch auch den belgischen Genossen selbst die kritische Beurteilung ihrer Taktik im jüngsten Kampfe eilig und wichtig genug, um einen außerordentlichen Parteitag[3] zu diesem Zwecke abzuhalten.
Genosse Vandervelde wirft mir nun aber eine ganz unrichtige Darstellung der Vorgänge in Belgien vor. Die Liberalen hätten gar keinen Einfluß auf das Verhalten der sozialistischen Führer ausgeübt, und die Taktik der Arbeiterführer hätte ihre eigenen Gründe für jede der getroffenen Maßnahmen gehabt.
Niemand wäre gewiß froher als wir selbst, aus berufenem Munde, durch den hervorragendsten Führer unserer belgischen Genossen, über die Irrtümlichkeit unserer betrübenden Annahmen belehrt zu werden. Leider
[1] Siehe dazu Rosa Luxemburg: Das belgische Experiment. In: GW, Bd. 1/2, S. 212–219.
[2] Émile Vandervelde: Nochmals das belgische Experiment. In: Die Neue Zeit (Stuttgart), 20. Jg. 1901/02, Zweiter Band, S. 166–169.
[3] Der Parteitag der belgischen Arbeiterpartei war am 4. Mai 1902 in Brüssel durchgeführt worden. Obwohl an dem Beschluß des Generalrats, den Massenstreik zur Erlangung des allgemeinen Stimmrechts abzubrechen, Kritik geübt worden war, wurde diese Entscheidung letztlich vom Parteitag gebilligt.