Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 580

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-2/seite/580

Die Debatten in Köln

I

Der Kölner Gewerkschaftskongreß[1] bietet in mancherlei Hinsicht zum Nachdenken, wir möchten beinahe sagen zu Bedenken, reichlichen Stoff. Die Debatten in Köln haben zweifellos mehr als praktische und aktuelle, sie haben symptomatische Bedeutung und müssen von diesem Gesichtspunkte als Äußerungen gewisser allgemeiner Strömungen in weiten Kreisen unserer Arbeiterschaft betrachtet werden. In dieser Hinsicht ist aber die Generalstreikdebatte geradezu typisch für den Geist, für das Niveau, für die Richtung der tonangebenden Kreise unserer Gewerkschaften.

Um das Nötige vorwegzunehmen: Der Beschluß, der den politischen Massenstreik verwirft und die „Propagierung“ dieses Kampfmittels verbietet[2], kann die ernsten Verfechter der Idee des Generalstreiks außerordentlich kühl lassen. Wir haben nie viel von der „Propagierung“ dieser Idee gehalten, zumal die Fürsprache unserer bisherigen zwei Spezial-

Nächste Seite »



[1] Der fünfte Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands fand vom 22. bis 27. Mai 1905 in Köln statt.

[2] Die Resolution des Kölner Gewerkschaftskongresses lautete: „Der fünfte deutsche Gewerkschaftskongreß erachtet es als eine unabweisbare Pflicht der Gewerkschaften, daß sie die Verbesserung aller Gesetze, auf denen ihre Existenz beruht und ohne die sie nicht in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen, nach besten Kräften fördern und alle Versuche, die bestehenden Volksredite zu beschneiden, mit aller Entschiedenheit bekämpfen.

Auch die Taktik für etwa notwendige Kämpfe solcher Art hat sich genauso wie jede andere Taktik nach den jeweiligen Verhältnissen zu richten.

Der Kongreß hält daher auch alle Versuche, durch die Propagierung des politischen Massenstreiks eine bestimmte Taktik festlegen zu wollen, für verwerflich; er empfiehlt der organisierten Arbeiterschaft, solchen Versuchen energisch entgegenzutreten.

Den Generalstreik, wie er von Anarchisten und Leuten ohne jegliche Erfahrung auf dem Gebiete des wirtschaftlichen Kampfes vertreten wird, hält der Kongreß für undiskutabel; er warnt die Arbeiterschaft, sich durch die Aufnahme und Verbreitung solcher Ideen von der täglichen Kleinarbeit zur Stärkung der Arbeiterorganisation abhalten zu lassen.“ (Protokoll der Verhandlungen des fünften Kongresses der Gewerkschaften Deutschlands. abgehalten zu Köln a. Rh. vom 22. bis 27. Mai 1905, Berlin o. J., S. 30.)