Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 581

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„propagierer“, der Genossen Friedeberg und Bernstein, mehr dazu angetan war, die Idee zu veralbern als sie zu verbreiten, und man darf auch annehmen, daß gerade die Propaganda dieser beiden guten Menschen und schlechten Musikanten an ihrem Teilchen etwas dazu beigetragen hat, den Beschluß in Köln herbeizuführen. Der politische Massenstreik wird in einem gewissen Stadium des Klassenkampfes ebensowenig durch ablehnende Kongreßbeschlüsse verhindert, wie er durch das langweilige Hausieren mit dieser Idee in abstrakter Form herbeigeführt wird, wo die objektiven Bedingungen dafür fehlen. Der Massenstreik als politisches Kampfmittel ist eben ein geschichtliches Produkt des Klassenkampfes, das genauso wie die Revolution weder auf Kommando „gemacht“ noch auf Kommando „abgelehnt“ werden kann. Und das einzige, was die Partei des bewußten Klassenkampfes, das heißt die Sozialdemokratie, und auch die Gewerkschaften, insofern sie auf dem Boden des modernen Klassenkampfes stehen, dabei „aus freien Stücken“ tun können, ist, sich eben über die geschichtlichen, sozialen, politischen Bedingungen im voraus klarzuwerden suchen, die das Aufkommen solcher Formen des Klassenkampfes notwendig machen, um die Entwicklung bewußt mitzumachen und an ihrer Spitze in der als geschichtlich notwendig erkannten Richtung zu marschieren.

Es war auch bis jetzt nur der Vorzug der bürgerlichen Reaktion, der angenehmen Illusion zu leben, daß solche historischen Massenerscheinungen wie die Revolution oder der Generalstreik von den Aufwieglern aus purer Bosheit „gemacht“ werden, folgerichtig also auch bei wachsender „Einsicht“ „verworfen“ werden können. Diese bornierte und in ihrem innersten Kern stockreaktionäre Auffassung, die im striktesten Gegensatze zu den Grundlehren des modernen, wissenschaftlichen Sozialismus steht, wurde bekanntlich in die Kreise der Sozialdemokratie durch die Bernsteinsche Richtung geschleppt, die es in ihrer Naivität für möglich hielt, plötzlich zu erklären, die Idee der Revolution sei ein überflüssiges Rudiment aus der Zeit der sozialdemokratischen Barbarei, das nun zivilisierteren, gesetzlichen Kampfmethoden Platz machen könne.

Und genau in denselben Gedankenbahnen bewegt sich die von Bömelburg vorgetragene Auffassung vom Generalstreik und die aus ihr geborene scharfe Absage an die „Propagierung“ dieser Idee. Nebenbei gesagt: Die Bömelburgsche Resolution verwirft wohlgemerkt nicht nur die Anwendung des Generalstreiks selbst, sondern auch die Propaganda, also die Erörterung dieser Frage, den Meinungsaustausch darüber. Bezeichnend ist, daß dieser merkwürdige Beschluß diesmal gerade aus der Auffassung

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