und Richtung geboren wurde, die mit jener nahe verwandt ist, welche nicht laut genug über die Unterbindung der „freien Meinungsäußerung“ und der „Freiheit der wissenschaftlichen Forschung“ in der Sozialdemokratie klagen konnte. Der eingebildete, aus freien Stücken ad usum Delphin erdichtete Meinungsterrorismus der Partei hat ganze Entrüstungsstürme in den opportunistischen Kreisen entfesselt. Nun wird das erste Beispiel eines wirklichen Kongreßbeschlusses, der formell eine gewisse Meinungsäußerung verbietet, das erste Beispiel, das unsere Arbeiterbewegung kennt, mit derselben Argumentation durchgesetzt, die sich über die lästigen „Literaten“ beklagt, über die Stürmer und Dränger lustig macht. Wir wollen sehen, ob sich die Schildknappen der „bedrückten Meinungsfreiheit“ in den Reihen der Sozialdemokratie – die Heine, David und Genossen – diesmal zu einem Feldzug aufraffen, wo ihrer Schutzbefohlenen wirklich ein Leides angetan worden.
Und doch, während die „freie Forschung“ Bernsteins seinerzeit in Wirklichkeit nur ein unleidliches steriles Wiederholen war, dessen Urheber, „als wie ein Tier im Kreis herumgeführt“, die Partei immer wieder nur auf dieselbe äußerst „dürre theoretische Heide“ seiner Zweifel führte, bietet die Frage des politischen Massenstreiks ein ganz neues, fruchtbares Feld sozialer und historischer Erkenntnis, ein Gebiet, das mit allem Ernst theoretisch wie geschichtlich erst der Arbeiterschaft erschlossen werden muß. Und wenn irgend etwas die dringende Notwendigkeit der wissenschaftlichen Erörterungen der Frage des Massenstreiks schlagend bewiesen hat, wenn irgend etwas im schreienden Widerspruch zu dem ablehnenden Beschluß des Kölner Kongresses steht, so ist es die eigene Argumentation des Referenten wie der Wortführer dieses Beschlusses.[1] Nicht in dem Beschluß selbst, der gar keine praktische Bedeutung – weder für die Anwendung des Massenstreiks noch auch für die Diskutierung desselben – haben wird, sondern in der Argumentation und dem Niveau der Debatte, womit er begleitet war, liegt wohlgemerkt der Schwerpunkt der Kölner Stellungnahme in dieser Frage. Diese Debatte ist nebst derjenigen über die Maifeier ein „Zeichen der Zeit“ von nicht zu verkennender Deutlichkeit.
[1] Diesem dringenden Bedürfnisse wird in trefflicher Weise die Schrift über den Generalstreik gerecht, die aus der Feder der holländischen Genossin Roland-Holst, mit einem Vorwort des Genossen Kautsky, demnächst im Verlage der „Sächsischen Arbeiter-Zeitung“ erscheinen wird. Die Red. – [Henriette Roland-Holst: Generalstreik und Sozialdemokratie. Mit einem Vorwort von Karl Kautsky, Dresden (1905).] [Fußnote im Original]