Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 136

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II

Der Gang der geistigen Entwicklung der beiden Schöpfer des Kommunistischen Manifests ist uns in allgemeinen Zügen aus ihren eignen späteren Äußerungen seit langer Zeit bekannt. Marx als unzufriedener Junghegelianer, dem die Feuerbachsche humanistische Revision Hegels „eine Offenbarung“ ward und ein Anstoß zur Konzeption des historischen Materialismus, Engels als Mann der wirtschaftlichen Praxis, angeregt und erleuchtet durch Beobachtungen an den englischen Gesellschaftszuständen, trafen an der Schwelle des wissenschaftlichen Sozialismus zusammen. Allein dieser innere Werdegang, namentlich was Marx betrifft, ist uns nie so deutlich in allen Einzelheiten und im großen Zusammenhang vor die Augen geführt worden wie durch das Mehringsche Buch.

Nach näherer Analyse des nun gebotenen Materials bemerken wir in der ersten Periode der Marxschen Entwicklung, die mit der Herausgabe der „Deutsch-Französischen Jahrbücher“ im Jahre 1844 und dem geistigen Kontakt mit Engels abschließt, gleichsam zwei unabhängig voneinander verlaufende Linien. Die eine Linie, das ist die fortlaufende innere Krise, die sich in dem Suchen „nach Wahrheit“, konkret gesprochen, in dem Suchen nach der Lösung des philosophischen Konflikts zwischen Denken und Sein, zwischen der materiellen Welt und dem Denkprozeß äußerte. Die andre Linie, das ist die Reihe von Kontakten mit der praktischen Welt, mit politischen und wirtschaftlichen Zeit-und Streitfragen. Hierher gehören die Arbeiten Marxʼ über die Zensur und Preßfreiheit, über den Holzdiebstahl, die redaktionelle Arbeit an der Frage der Moselwinzer, der Aufsatz über die Judenfrage. Diese Arbeiten sollten für Marxʼ Entwicklung von doppelter Bedeutung sein. Einmal gewann er hier durch die ständige Berührung mit der praktischen deutschen Misere einen Einblick in die gesellschaftlichen Zustände, für die er einige Jahre später das geschichtliche Todesurteil schreiben, hier lernte er den Boden kennen, in den sein philosophischer Gedanke nachher „wie ein Blitz einschlagen“ sollte. Während seine ehemaligen Brüder in Hegel: Bauer, Strauß, Feuerbach, nicht aus den Regionen der abstrakten philosophischen Spekulation heraustraten, bildete sich Marx zum praktischen Kämpfer aus. Die lebendige ununterbrochene Fühlung mit der deutschen Wirklichkeit ermöglichte ihm nachher, als Feuerbach die Befreiung des Menschen von dem ihn drückenden Alp der Abstraktion vollzogen hatte, sofort anknüpfend daran die „Kritik des Himmels ... in die Kritik der Erde, die Kritik der Religion in die Kritik des Rechts, die Kritik der Theologie in die Kritik der Politik“ zu verwan-

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