Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 554

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In revolutionärer Stunde: Was weiter?

Die Revolution in unserem Lande hat als Teil der allgemeinen Arbeiterrevolution im Zarenreich einen Zeitraum von drei Monaten durchlaufen, dessen Beginn der Ausbruch des allgemeinen Streiks am 28. Januar und dessen Höhepunkt der Demonstrationsstreik vom 1. bis 4. Mai war. Schon dieser kurze Zeitabschnitt weist eine außergewöhnlich schnelle Steigerung und Entwicklung der revolutionären Sache auf, einen Anstieg des Bewußtseins und der Kraft der Arbeiterklasse und eine unerhörte Zunahme der Einflüsse der Sozialdemokratie. Aber zugleich brachte diese erste Periode der Revolution eine ganze Reihe wichtiger Fragen hervor, auf die die Sozialdemokratie als die Partei des bewußten, kämpfenden Proletariats unbedingt eine klare und deutliche Antwort finden muß.

Das ist eine ganz natürliche Sache. Die Arbeiterklasse in allen Ländern lernt erst im Verlaufe ihres Kampfes kämpfen. Lediglich solche Parteien wie die PPS[1], die sich einbilden, sozialistische und Arbeiterparteien zu sein, und im Grunde dem Geist des Klassenkampfes ganz fremd gegenüberstehen, können jederzeit mit. aufgeblasener Miene behaupten, daß sie immer einen fertigen Plan in der Tasche haben, um der Arbeiterklasse zu „befehlen“, was sie und wie sie es zu tun hat. Die Sozialdemokratie dagegen, die nur die Vorhut des Proletariats ist, ein Teil der ganzen arbeitenden Masse, das Blut aus ihrem Blut und Fleisch von ihrem Fleische, die Sozialdemokratie sucht und findet die Wege und besonderen Losungen des Arbeiterkampfes lediglich im Maße der Entwicklung dieses Kampfes, wobei sie aus diesem Kampf allein die Hinweise für den weiteren Weg schöpft.

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[1] Siehe S. 306, Fußnote 3.