Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 603

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-2/seite/603

Massenstreik zu proklamieren. Und wenn uns Heine, Schmidt und Frohme zurufen, organisiert die Massen und klärt sie auf, so werden wir ihnen antworten, das tun wir, aber wir wollen es nicht ein eurem Sinne! (Zuruf: „Ach! ach!“) Nicht in dem Sinne der Verkleisterung und Vertuschung der Gegensätze, wie es alle diese Genossen seit Jahr und Tag tun. Nein, nicht die Organisation vor allem, sondern vor allem der revolutionäre Geist der Aufklärung! Das ist noch viel wichtiger. Erinnern Sie sich an die Zeit des Sozialistengesetzes! Man hat unsere Gewerkschaften zertrümmert, und sie sind wie Phönixe aus der Asche emporgestiegen. Ebenso wird es auch künftig in Perioden heftiger Kämpfe sein. Es gilt vor allem, die Massen aufzuklären, und da brauchen wir gar nicht so vorsichtig zu sein, wie die Gewerkschaftsführer in Köln[1] es gewesen sind. Die Gewerkschaft darf nicht zum Selbstzweck und dadurch zum Hemmschuh für die Bewegungsfreiheit der Arbeiter werden. Lernen Sie einmal aus der russischen Revolution! Die Massen sind in die Revolution getrieben, fast keine Spur von gewerkschaftlicher Organisation, und sie festigen jetzt Schritt für Schritt ihre Organisationen durch den Kampf. Es ist eben eine ganz mechanische, undialektische Auffassung, daß starke Organisationen dem Kampfe immer vorausgehen müssen. Die Organisation wird auch, umgekehrt, selbst im Kampf geboren, zusammen mit der Klassenaufklärung. Gegenüber der ganzen Kleingeisterei müssen wir uns sagen, daß für uns die letzten Worte des Kommunistischen Manifestes nicht nur eine schöne Phrase für Volksversammlungen sind, sondern daß es uns blutiger Ernst ist, wenn wir den Massen zurufen: Die Arbeiter haben nichts zu verlieren als ihre Ketten, aber eine Welt zu gewinnen. (Beifall und Widerspruch.)

III Bemerkung

[2]

Bömelburg hat gesagt, daß er in seiner Jugend gehungert habe; ich wahrscheinlich nicht. Ich verschmähe es, in einen Wettlauf des Hungerns hin auf die Geschichte der privaten Leiden meines Magens einzugehen. (Heiterkeit.) Es steht Bömelburg nicht an ...

Singer: Was Bömelburg ansteht, darüber entscheiden wir.

Rosa Luxemburg (fortfahrend) : Ich wundere mich weiter darüber, daß sich Genosse Bömelburg darüber beschwert, als hätte ich ihm als Maurer

Nächste Seite »



[1] Der fünfte Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands fand vom 22. bis 27. Mai 1905 in Köln statt.

[2] Redaktionelle Überschrift.