Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 135

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zweitens in Beziehung zu Marx und seiner Zeit. So z. B. bei der zum erstenmal veröffentlichten Dissertation von Marx, wo wir zugleich eine knappe, aber übersichtliche und gründliche Skizze der Geschichte der griechischen Philosophie erhalten bis zu ihrem logischen Abschluß im Epikurismus, Stoizismus und Skeptizismus und eine Skizze der philosophischen Entwicklung in Deutschland bis zu den Berührungspunkten mit den genannten griechischen Schulen. Und endlich eine Würdigung der gegebenen Arbeit von Marx vom Standpunkt des behandelten Gegenstandes selbst. Auf diese Weise erfahren wir jedesmal sowohl was die berührte Frage für Marx und seine Zeit bedeutete, als was Marx für sie getan. Zum Schluß gibt Mehring noch nach jedem veröffentlichten Aufsatz in knapper Form alle zur Orientierung und eventuellen eingehenden Nachforschung des Gegenstandes notwendigen Fingerzeige und bibliographischen Notizen.

Allerdings „wissenschaftlich“ in dem Sinne der offiziellen, herkömmlichen, professoralen Ausgaben in der Art – um das erste beste Beispiel zu nehmen – der Wagner-Kozakschen Ausgabe von Rodbertus ist das Mehringsche Werk nicht. Es fehlt hier vollständig das vorlaute, aufdringliche Wesen des Herrn Professors, der in der Vorrede zu den Werken seines „Ricardo des ökonomischen Sozialismus“ von diesem Ricardo, seinen Werken, seiner Zeit, seiner Bedeutung kein Sterbenswort mehr zu sagen weiß, als daß er ein großer Klassiker war, dafür in weitschweifiger Weise seine eignen Schmerzen beim Durchkramen der Papiere des Nachlasses und seine Katzbalgereien mit den Konkurrenten-Herausgebern, Rudolf Meyer und Moritz Wirth, dem versammelten Publikum erzählt und sich dabei so ungebärdig benimmt, daß der Leser Lust bekommt, den ihm den Zutritt zum Werke versperrenden Herausgeber mit ungeduldiger Hand zur Seite zu schieben wie einen tolpatschigen Kammerdiener, der, statt uns zu seinem Herrn zu geleiten, uns im Vorzimmer mit unnützem Gerede darüber aufhält, wie er am Morgen die Stiefel des Herrn schlecht gewichst hatte und dafür ausgezankt wurde.

Die Mehringschen Erläuterungen sind so mit den Marxschen Aufsätzen zu einem Ganzen verwoben, daß man sie gar nicht als gesonderte Arbeit empfindet. Der Verfasser geht ganz auf in dem Verfasser, der Kommentar verschmilzt mit dem. Gegenstand zu einem Buch. Und dieses Buch lehrt uns Marx verstehen und lieben. Die deutsche Arbeiterklasse kann auf das vor allem ihr zugeeignete Werk stolz sein; ihr größter Meister ist darin meisterhaft gezeichnet.

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