Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 280

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‚Augenzeuge’ gab z. B. nicht nur eine ganz genaue Schilderung der Vorgänge des Attentates, sondern auch über das Verhör des Verhafteten, das doch sicher unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattgefunden hat, wurden bis ins kleinste detaillierte Angaben gemacht. Wir haben von diesen Berichten keine Notiz genommen, weil sie uns zu deutlich den Stempel der Unwahrscheinlichkeit zu tragen schienen. Wenn ein terroristisches Komitee existiert, in dessen Auftrag politische Attentate in Rußland vollführt werden, so wird dasselbe sorgfältig vermeiden, sich durch Verbreitung derartiger Sensationsberichte in ein äußerst zweifelhaftes Licht zu setzen.“

Wir fühlen uns verpflichtet, da wir zuerst Bedenken über die gegenwärtige terroristische Taktik der russischen Sozialisten-Revolutionäre geäußert haben, ausdrücklich zu bemerken, daß von der politischen Zweifelhaftigkeit des Terroristenkomitees in Rußland für diejenigen, die mit den Verhältnissen bekannt sind, gar nicht die Rede sein kann. Sowohl die Existenz der terroristischen Kampforganisation der Sozialisten-Revolutionäre wie die makellose politische Ehrenhaftigkeit ihrer Mitglieder wie endlich das tatsächlich in ihrem Auftrag ausgeübte Attentat in Charkow können nicht im geringsten in Zweifel gezogen werden.

Was einzig und allein zweifelhaft erscheint, ist der Wert, die Zweckmäßigkeit der terroristischen Taktik, und wenn wir auf die etwas kindische Art und Weise hingewiesen haben, wie die russischen Terroristen ihre Tätigkeit zur Schau tragen, so galten uns diese Äußerlichkeiten lediglich als ein Symptom der Verfehltheit der Taktik selbst. Daß diese Äußerlichkeiten tatsächlich kein Zufall, sondern in näherem Zusammenhang mit der Inopportunität des systematischen Terrorismus in der heutigen Lage Rußlands stehn, werden wir vielleicht ein andermal näher darlegen.

Leipziger Volkszeitung,

I: Nr. 197 vom 27. August 1902,

II: Nr. 201 vom 1. September 1902.

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