Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 68

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Endlich haben auch auf dem Gebiet des gewerkschaftlichen Kampfes die Parteien von Guesde-Lafargue und von Vaillant großartige Leistungen aufzuweisen.

Nachdem die Französische Arbeiterpartei bereits 1882 die Notwendigkeit und Wichtigkeit der gewerkschaftlichen Organisation anerkannt hatte, empfahl sie 1890 allen ihren Mitgliedern, den respektiven Gewerkschaften beizutreten – ein Beschluß, der dem Wunsche unserer deutschen Gewerkschaften entspricht. 1895 beschließt sie, ein Gesetz zu beantragen, das in allen Arbeitszweigen die Gewerkschaftssatzungen für alle beschäftigten Arbeiter obligatorisch macht. Durch eigene unermüdliche Agitation ruft sie ins Leben: den Nationalverband der Textilarbeiter, der Seeleute, der Lederarbeiter, mehrere lokale Bergarbeitergewerkschaften usw. und leitet alle wichtigen Streikbewegungen: in Roanne 1882, Decazeville 1885, Calais 1890, Carmaux 1892 und 1895, im Augenblick ist sie tätig in Chalon und in Montceau-les-Mines. Während endlich Jaurès und seine Freunde dem Wahne der französischen Gewerkschaftler – der Idee des Generalstreiks – mit allen Mitteln Vorschub leisten, sucht die Arbeiterpartei durch systematische Bekämpfung dieser Idee die Gewerkschaftsbewegung auf realen Boden zu stellen. Und während die Fraktion Jaurès’ den politischen Interessen zuliebe die Gewerkschaften durchaus der sozialistischen Partei einverleiben will, vertreten Guesde und Vaillant im Interesse einer freien Entwicklung der Gewerkschaften ihre organisatorische Selbständigkeit gegenüber der politischen Partei.

Es ist nach alledem klar, daß es sich zwischen der sogenannten „antiministeriellen“ und der „ministeriellen“ Fraktion des französischen Sozialismus nicht darum handelt, ob praktische Arbeit oder „revolutionäre Phrase“. Wenn die Anhänger Millerands ihren Gegnern Vernachlässigung der praktischen Reformarbeit zur Last legen, so ist es nur, weil ihnen praktische Arbeit mit bedingungsloser Zustimmung zu allem Tun und Lassen der heutigen Regierung identisch ist.

Wer gegen das Gesetz Millerand-Colliard, das heißt gegen die Verdammung der Kinder zu gleicher Arbeitsdauer mit den Erwachsenen ist, der ist – gegen den Arbeiterschutz! Wer die Regierungsvorlage betreffend

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