Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 566

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Nicht darauf beruht also die Politik einer wirklich sozialistischen Partei, zu schreien, daß „unsere Zukunft im Massenkampf“ liegt, sondern darauf, daß auch das Programm der Partei den Interessen der Arbeiterklasse angepaßt und ihre ganze Taktik, ihre ganze Handlungsweise auf die Aktion, und zwar die bewußte Aktion der Arbeitermasse berechnet ist.

Der sozialdemokratische Kampf ist ein Massenkampf. Aber dieser Kampf entwickelt sich ständig, und mit ihm entwickelt sich und muß sich der Massenbegriff selbst entwickeln. Eine zwanzigtausendköpfige Menge, die der Fahne der Sozialdemokratie folgt, ist schon ein Kennzeichen für eine ernsthafte Massenbewegung im Vergleich mit den noch nicht lange zurückliegenden Zeiten, als kaum einige Hundert und später einige Tausend aktiv und bewußt am Kampf teilgenommen haben. Aber im gegenwärtigen Stadium des revolutionären Kampfes muß der Begriff der Masse, die berufen ist zu handeln und sich mit dem Absolutismus zu messen, sehr schnell wachsen und Hunderttausende, Millionen erreichen. Ebenso muß sie die Grenzen der separaten großstädtischen Zentren überschreiten und das ganze Land umfassen. In Anbetracht des Gefühls der Machtlosigkeit der Arbeiter in den einzelnen Ortschaften gegenüber der Regierungsübermacht besteht unsere gleichrangige Aufgabe folglich darin, unaufhörlich darauf hinzuweisen, daß wir nur durch die Ausdehnung des Kampfgebietes auf die gesamte Provinz, auf das ganze Land der Revolution allmählich das Übergewicht über den Absolutismus und schließlich den Sieg sichern können.

Die Frage, vor die uns die Maidemonstration gestellt hat, ist infolgedessen nichts anderes als eben die Lebensfrage der Revolution. Auf den ersten Blick stehen wir vor einem Widerspruch, die Sache der Revolution gelangt gewissermaßen in eine Sackgasse, scheint ohne Ausweg. Der gegenwärtige Kampf braucht als ein Massenkampf Massenauftritte, also neben dem allgemeinen Streik braucht er die Möglichkeit, daß sich die Masse physisch zusammenballt, daß diese Masse zahlreich und offen ihre Bestrebungen verkündet. Die Revolution braucht Massendemonstrationen und -manifestationen, Massenversammlungen und -aufmärsche. Aber Demonstrationen und Aufmärsche führen, wie wir im Mai gesehen haben, zur Niedermetzelung der wehrlosen Menge. Was ist also zu tun? Soll in Anbetracht des Gemetzels, das wir bei Massendemonstrationen erwarten können, auf dieses Kampfmittel verzichtet werden? Aber das würde bedeuten, auf die weitere Entwicklung der Bewegung zu verzichten, auf die Revolution selbst verzichten! Soll der Ausweg im Fabrizieren von Bomben und „Racheurteilssprüchen“ über Werkzeuge des Zarismus ge-

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