Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 544

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-2/seite/544

Der Klassenkampf des Proletariats ist und muß in allen seinen Formen, also auch im revolutionären Zusammenstoß, eine selbständige Bewegung der ganzen Masse sein.

Die sozialistische Partei kann nicht die Rolle eines Betreuers der Arbeiterklasse in dem Sinne spielen, daß sie nach ihrem eigenen Kopf und mit eigenen Mitteln sozusagen hinter dem Rücken der Arbeitermasse die Waffen für diese letztere erwirbt, für in größter Eile gesammeltes Geld Dynamit und Revolver aus dem Ausland besorgt oder in konspirativen Wohnungen Bomben fabriziert und diese Waffen dann dem Volk in die Hand gibt, wie man einem minderjährigen Knaben ein Säbelchen und eine kleine Trommel gibt und ihn in die Schlacht schickt. Die Bewaffnung einzelner Einheiten ist zwar nur eine Frage des Geldes und der Geschicklichkeit der betreffenden Organisation. Aber die Bewaffnung der Masse in der revolutionären Situation ist und kann allein nur das Resultat und die Offenbarung der eigenen Kraft und der politischen Reife dieser Masse sein. Das bedeutet, einfach gesagt, die Masse kann nur und sollte sich selbst bewaffnen, im Laufe ihres Kampfes, auf eigenen Entschluß, durch den eigenen Drang nach Eroberung der Waffen, und das nicht auf dem Wege des geheimen Waffenkaufs in Läden, wie man ein Jagdgewehr kauft, sondern durch ihre Eroberung kraft ihrer Bewegung, durch Teilsiege über die Regierung. Man kann schon von vornherein einige solcher Arten als Beispiel anführen, die der massenartigen und nicht der verschwörerartigen Methode sich zu bewaffnen entsprechen, wie z. B. die im Sturm erfolgende Eroberung privater und, was weit wichtiger ist, regierungseigener Waffenmagazine, Entwaffnung einzelner Truppeneinheiten usw. Eine solche Aufzählung hat jedoch auch nur den Wert eines Beispiels, zur besseren Erläuterung der Ansicht über die Frage der Bewaffnung der Masse. Aber die Arbeiter ernsthaft zu belehren, daß sie im Moment des Ausbruchs einer Straßenrevolution nach Revolvern, Flinten, Äxten oder Rungen greifen sollen, oder sie jetzt zu belehren, wie sie Barrikaden auf den Straßen bauen sollen, ist einfach lächerlich. Sogar in den Kriegen der Militärstaaten findet fast keine Schlacht nach Plänen statt, von vornherein im Generalstab auf dem Papier ausgearbeitet, denn über den Verlauf der Schlacht und die Art ihrer Führung entscheidet eine Menge von Umständen, die überhaupt nicht vorausgesehen werden können. Ein genialer Feldherr, wie Napoleon, stellt erst während des Krieges, sogar im Moment der Schlacht, einen der Lage entsprechenden Plan auf und leitet oft eine ganz neue Kriegstaktik, d. h. die Art, Kriege zu führen, ein.

Nächste Seite »