beitskammern zum Schiedsgericht, und der ganze wirtschaftliche Klassenkampf wird – in einen Zivilprozeß verwandelt.
Und nachdem Millerand den Gewerkschaften im Gesetzentwurf den Lebensnerv durchschnitten hat, predigt er den Arbeitern in der Begründung mit beredten Worten die Notwendigkeit der gewerkschaftlichen Organisation.
Wenn sich die wichtigsten Reformen Millerands bei näherem Zusehen als klägliche Stümperei erweisen, so liegt das jedenfalls nicht an dem bösen Willen des sozialistischen Ministers. Im Gegenteil, der bestgemeinte Eifer ist in der Rührigkeit, in den im Schweiße des Angesichts an den Bürotischen des Ministeriums ausgetüftelten höchst komplizierten Projekten gar nicht zu verkennen. Er kommt am besten auf jenem Gebiete der Millerandschen Tätigkeit zum Vorschein, wo der Handelsminister nicht unmittelbar an die parlamentarische Gesetzgebung gebunden ist, das heißt in seinen Dekreten, z. B. in der Einführung des achtstündigen Arbeitstages für die Postangestellten. Die Mängel der ministeriellen Gesetze und Projekte sind aber trotzdem keine Zufälligkeit, sondern sie ziehen sich wie ein roter Faden durch das ganze sozialreformatorische Werk.
Wir haben als den markantesten Zug dieses letzteren das Einerseits und Anderseits, das Geben mit der einen und Nehmen mit der anderen Hand, kurz die Verkoppelung der Konzessionen an die Arbeiter mit solchen an die Unternehmer festgestellt. Es ist dies genau dasselbe Schaukelsystem, das für alle politischen Maßnahmen des Kabinetts kennzeichnend ist. Hier wie dort liegt der Schaukelpolitik die Bestrebung zugrunde, die vorgefundenen Gegensätze nicht zum Austrag zu bringen, sondern sie abzustumpfen, und als Mittel hierfür erscheint die äußere Regelung der tief in dem sozialen Boden wurzelnden Gegensätze durch ihre Festlegung in juristischen Normen, in denen beiden widerstreitenden Kräften scheinbar ein gewisser Raum gewährt wird, die aber schroffe Ausbrüche nach außen hin verhindern sollen. Das Amnestiegesetz war die juristische Entladung des Konfliktes zwischen der Zivilgesellschaft und der stehenden Armee, das Assoziationsgesetz ist ein Versuch, den Widerstreit zwischen der Republik und der Kirche zu vertuschen, die Sozialreformen sind die juristische Aufhebung des Kampfes zwischen Kapital und Arbeit.
Allein, die „republikanische Mehrheit“, auf die die Regierungspolitik notgedrungen zugeschnitten ist, vertritt ebensowenig die Interessen der Arbeit wie die der Demokratie. Und wie bei der scheinbar mit völliger Unparteilichkeit verfahrenden Amnestie in der Dreyfus-Sache tatsächlich die Opfer der militaristischen Reaktion ihren Vertretern ausgeliefert wur-