Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 483

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Rohr im Winde hin und her schwankend, bald nur an die rettende Tat der Bombe und des Revolvers mit eingravierten fürchterlichen Worten, bald nur an blinde Bauerntumulte, bald überhaupt an gar nichts mehr glaubten und abwechselnd himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt als beweglicher Flugsand der Revolution vom Terrorismus zum Liberalismus und umgekehrt pendelten und nur an die selbständige Klassenaktion des russischen Proletariats nie festen Glauben fassen konnten.

Und nur die starren Dogmatiker der russischen Sozialdemokratie, die Plechanow, Axelrod, Sassulitsdi und ihre Jünger, diese unangenehme, eigensinnige Gesellschaft, die sich in gewissen Kreisen der Internationale derselben ehrenden Unliebsamkeit erfreut wie die französischen „Guesdisten“, hat mit der ganzen felsenfesten Ruhe und Sicherheit, wie sie nur eine wissenschaftliche, Testgefügte Weltanschauung verleiht, das Kommen des Petersburger 22. Januar seit Jahrzehnten vorausgesagt und durch ihre bewußte Agitation vorbereitet und herbeigeführt.

Das Marxsche „Dogma“ war es eben, das der russischen Sozialdemokratie ermöglicht hat, unter der bizarren Eigenheit der sozialen Verhältnisse Rußlands fast mit mathematischer Sicherheit die großen Linien der kapitalistischen Entwicklung schon vor mehr als zwanzig Jahren vorauszusehen und ihre revolutionären Konsequenzen in planmäßiger Tätigkeit vorwegzunehmen und zu realisieren.

Das Marxsche „Dogma“ war es, das den Sozialdemokraten in Rußland ermöglichte, die Arbeiterklasse im Zarismus als politische Klasse zu entdecken und als den einzigen künftigen Träger zunächst der politischen Emanzipation Rußlands vom Absolutismus, sodann der eigenen Emanzipation von der Kapitalsherrschaft.

Dasselbe Marxsche „Dogma“ ließ die russische Sozialdemokratie unbeirrt gegen alles und jedes die selbständige Klassenaufgabe und Klassenpolitik des russischen Proletariats verteidigen, als die physische Existenz der Arbeiterschaft in Rußland erst aus der ledernen Sprache der offiziellen Industriestatistiken herausgelesen, die russischen Fabriken erst summiert, beinahe jeder mathematische Proletarier sozusagen erst in heißen Polemiken erstritten werden mußte.

Und dann, als der schwanke russische Intellektuelle wiederum von Sorgen geplagt wurde, daß der russische Kapitalismus sich nicht „in die Breite“, sondern „in die Tiefe“ entwickle, das heißt, daß die Industrie, mit der fertigen Technik des Auslandes ausgerüstet, zuwenig Proletarier beschäftige, so daß vielleicht die russische Arbeiterklasse numerisch zu schwach für ihre Aufgaben sein möchte.

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