Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 482

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auch für die russische Sozialdemokratie selbst zweifellos eine Überraschung gewesen, auch die äußere Leitung der grandiosen politischen Revolte lag offenbar nicht in den Händen der Sozialdemokratie. Man wird deshalb geneigt sein, davon zu sprechen, daß die Ereignisse der russischen Sozialdemokratie „über den Kopf gewachsen“ seien. Versteht man darunter das elementare Hinauswachsen der Bewegung an Umfang und Rapidität über die Berechnungen der Agitatoren, auch über die vorhandenen Kräfte und Mittel zu ihrer Beherrschung und Leitung hinaus, dann wird das Wort gewiß auf den jetzigen Moment in Rußland passen. Doch wehe derjenigen Sozialdemokratie, die es nicht fertigbringt, in entsprechenden historischen Situationen Geister auf die soziale Bühne heraufzubeschwören, die ihr in diesem Sinne „über den Kopf wachsen“. Das würde nur mit anderen Worten beweisen, daß die Sozialdemokratie es nicht versteht, eine wirkliche revolutionäre Massenbewegung in Fluß zu bringen, denn planmäßig hervorgerufene, organisierte und wohlgeleitete, kurz „gemachte“ Revolutionen existieren nur in der blühenden Phantasie Puttkamerscher Polizeiseelen oder preußischer und russischer Staatsanwälte.

Versteht man aber unter dem „Hinauswachsen über den Kopf“, daß die Richtung, die Macht, das Phänomen selbst der proletarischen Revolution für die Politiker eine Überraschung war, daß sie sich im stürmischen Laufe ihre Ziele weit über die Erwartungen hinaus gesteckt hat, dann ist die Sozialdemokratie heute geradezu der einzige Faktor des öffentlichen Lebens im Zarenreich, dem die Petersburger Ereignisse nicht über den Kopf gewachsen sind, der geistig die Situation vollkommen beherrscht.

Ein Blitz aus heiterem Himmel war die plötzliche politische Massenerhebung des Petersburger Proletariats nicht bloß für die hirnlosen Kretins der herrschenden Diebsbande des Zarismus, nicht bloß für den stockbornierten rohen Haufen der industriellen Geldsäcke, die in Rußland den Platz einer Bourgeoisie einnehmen. Sie war es nicht minder für die russischen Liberalen, für die ad majorem libertatis gloriam festessenden Herren, die auf den Banketten in Kiew und Odessa die auftretenden proletarischen Redner mit lauten Pfuirufen und „Hinaus mit euch!“ empfingen; für die Herren Struve & Co., die noch am Vorabend der Petersburger Revolution die revolutionäre Aktion des russischen Proletariats eigentlich als eine „abstrakte Kategorie“ betrachteten und die Jerichomauern des Absolutismus am sichersten durch das liberale Gemiaue und Gewinsel der „hochangesehenen Persönlichkeiten“ stürzen zu können glaubten.

Sie war es endlich nicht minder für jene lockere, bewegliche Schicht der Revolutionäre aus der Intelligenz, die, alle Augenblicke wie schwankes

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