Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 431

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durch den kapitalistischen Staat eingeprägte Disziplin – mit der bloßen Übertragung des Taktstocks aus der Hand der Bourgeoisie in die eines sozialdemokratischen Zentralkomitees –, sondern durch die Durchbrechung, Entwurzelung dieses sklavischen Disziplingeistes kann der Proletarier erst für die neue Disziplin – die freiwillige Selbstdisziplin der Sozialdemokratie – erzogen werden.

Es erhellt weiter aus derselben Reflexion, daß der Zentralismus im sozialdemokratischen Sinne überhaupt nicht ein absoluter Begriff ist, der sich auf jeder Stufenleiter der Arbeiterbewegung in gleichem Maße durchführen läßt, sondern daß er vielmehr als Tendenz aufgefaßt werden muß, deren Verwirklichung gleichmäßig mit der Aufklärung und der politischen Schulung der Arbeitermasse im Prozeß ihres Kampfes fortschreitet.

Freilich kann das ungenügende Vorhandensein der wichtigsten Voraussetzungen für die Verwirklichung in vollem Maße des Zentralismus in der russischen Bewegung heutzutage in höchstem Maße störend wirken. Doch ist es unseres Erachtens verkehrt, zu denken, daß sich die noch unausführbare Majoritätsherrschaft der aufgeklärten Arbeiterschaft innerhalb ihrer Parteiorganisation „vorläufig“ durch eine „übertragene“ Alleinherrschaft der Zentralgewalt der Partei ersetzen lasse und daß die fehlende öffentliche Kontrolle der Arbeitermassen über das Tun und Lassen der Parteiorgane ebensogut durch die umgekehrte Kontrolle der Tätigkeit der revolutionären Arbeiterschaft durch ein Zentralkomitee ersetzt wäre.

Die eigene Geschichte der russischen Bewegung gibt viele Belege für den problematischen Wert des Zentralismus in diesem letzteren Sinne. Die allmächtige Zentralgewalt mit ihren fast unbeschränkten Befugnissen der Einmischung und der Kontrolle nach Lenins Ideal wäre offenbar ein Unding, wenn sie ihre Macht lediglich auf die rein technische Seite der sozialdemokratischen Tätigkeit, auf die Regelung der äußeren Mittel und Notbehelfe der Agitation – etwa die Zufuhr der Parteiliteratur und zweckmäßige Verteilung der agitatorischen und finanziellen Kräfte – beschränken sollte. Sie hätte nur dann einen begreiflichen politischen Zweck, wenn sie ihre Macht auf die Schaffung einer einheitlichen Kampftaktik, auf die Auslösung einer großen politischen Aktion in Rußland verwenden würde. Was sehen wir aber in den bisherigen Wandlungen der russischen Bewegung? Ihre wichtigsten und fruchtbarsten taktischen Wendungen des letzten Jahrzehntes sind nicht etwa von bestimmten Leitern der Bewegung, geschweige von leitenden Organisationen „erfunden“ worden, sondern sie waren jedesmal das spontane Produkt der entfesselten Bewegung selbst. So die erste Etappe der eigentlichen proletarischen Bewegung in Ruß-

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