Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 406

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Er beweist hier wieder, daß sein Urteil auch nicht durch die leiseste Kenntnis der Verhältnisse, über die er redet, getrübt ist. Er redet einfach den naiven Leuten nach, die sich an ihn um Protektion gewendet haben. Die „Gruppe Luxemburg“ ist nämlich ein altes beliebtes Schlagwort der nationalistischen Sonderbündler, die mit diesem plumpen Mittelchen die zur Gesamtpartei gehörigen Genossen in Posen und Oberschlesien zu erbittern und aufzuhetzen suchen. Eine „Gruppe Luxemburg“ existiert selbstverständlich ebensowenig wie etwa eine „Gruppe Ledebour“. Es gibt nur eine Organisation der deutschen Sozialdemokratie in Posen wie in Oberschlesien, und es waren alle zehn Mann, die diese Organisationen auf der gemeinsamen Konferenz vertraten – darunter alte Genossen, wie Bruhns und Schütz –, die sich auf die Bedingungen einigten, die Ledebour als die meinigen bezeichnet. Ob es am Platze war, zu einer Konferenz, wo es sich um eine Einigung zwischen den zur Gesamtpartei gehörigen Genossen und der Sonderorganisation handelte, die ersteren einzuladen, überlasse ich dem gesunden Menschenverstand – nicht Ledebours, sondern der Genossen in der Partei. Ich begreife allerdings seine Kränkung, daß, nachdem er auf einer Reihe von Parteitagen durch seine wirksamen Auftritte so großes Verständnis für die polnischen Angelegenheiten an den Tag gelegt hat, er nicht als Sachkundiger geladen war, um das maßgebende Wort zu sprechen. Vielleicht wird sich das bei einer nächsten Gelegenheit nachholen lassen. Dann müßte Ledebour freilich etwa mit dem Genossen Bruhns oder Gogowski seine jetzige Stellung tauschen. Ledebour würde sich dann wenigstens durch Arbeit in den polnischen Provinzen das Recht zu seinen Auftritten erwerben, die er jetzt nur aus der Redefreiheit auf den Parteitagen vindiziert.

Was die Bedeutungslosigkeit der „Gruppe Luxemburg“ und die große Bedeutung der von Ledebour bemutterten Sonderorganisation betrifft, so genügen folgende Tatsachen, von denen Ledebour natürlich wieder keine Ahnung hat. Der zur Partei gehörige Posener Wahlverein zählt gegenwärtig 163 Mitglieder. Die Sonderorganisation hatte bis vor kurzem in Posen überhaupt keine Filiale, erst im April hat sie einen Verein gegründet, der, wie mir aus Posen mitgeteilt wurde, etwa ganze 5 bis 7 Mitglieder zählt; mag es meinetwegen auch ein volles Dutzend sein. Am besten zeigt das Kräfteverhältnis die Tatsache, daß diese Sonderorganisation bei den Wahlen nicht einmal imstande war, in der Provinz Posen Gegenkandidaturen aufzustellen, wie sie es in Oberschlesien getan, und nahm für sich in Anspruch bloß einen einzigen Wahlkreis, den wir zuerst unbesetzt ließen. Als aber um des lieben Friedens willen von unsren

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