anderen schwergelehrten Theorie, einem neuesten Produkt der marxverbessernden ökonomischen Wissenschaft auf dem Katheder – mit der Theorie der „Disproportionalität der Produktion“ von Tugan-Baranowski. Tugan unterscheidet die Produktion von Konsummitteln für den menschlichen Bedarf und die Produktion von Produktionsmitteln für industriellen, kommerziellen oder landwirtschaftlichen Bedarf. Diese letztere Produktion ist ihm die ausschlaggebende, sie schaffe für sich selbst eine unumschränkte Nachfrage, und nur der Mangel an richtiger Proportion zwischen den einzelnen Produktionszweigen, nicht zwischen der Produktion und dem menschlichen Konsum sei die eigentliche Ursache von Krisen. Herr Sombart gibt sich mit dem Einfall zufrieden, doch möchte er ihn verbessern. Er setzt an Stelle der Tugan-Baranowskischen Unterscheidung von Produktion für den menschlichen Bedarf und Produktion von Produktionsmitteln eine neue Kategorie: Produktion aus organischen und solche aus anorganischen Stoffen. Diese letztere ist ihm der eigentliche Krisenherd. So liefert Herr Sombart mit einer eleganten Handbewegung ein eklatantes Beispiel der Schicksale der bürgerlichen Nationalökonomie von Adam bis auf heute.
Die Tugan-Baranowskische Theorie, die von Herrn Sombart und seinen Kollegen als eine neue Entdeckung gefeiert wird, ist nämlich im Grunde genommen nichts anderes als eine Modifikation der alten Sayschen Theorie. Schon vor bald hundert Jahren schrieb Say: „Wenn von einer Ware zu viel auf den Markt gebracht zu sein scheint, so liegt dies nicht daran, daß von ihr zu viel, sondern daß von anderen Waren zu wenig produziert ist.“ Das ist die Tugansche „Disproportionalität“ in ihrem wesentlichen Kern. Sie beruht bei dem russischen Ökonomen wie bei seinem französischen Vorläufer auf der Mystifikation, daß Waren von Waren und nicht von Menschen gekauft werden. Allein, schon hier liegt ein gewaltiger Unterschied zwischen den beiden. Bei dem französischen Erzvater der Vulgärökonomie, der aber noch in der Morgenluft der klassischen Schule atmete, bildet den Ausgangspunkt seiner Krisenlehre die Ricardosche Theorie von der unumschränkten Steigerungsfähigkeit der menschlichen Bedürfnisse. Der klassische Fehler bestand hier wie in allen Stücken des Smith-Ricardoschen Lehrgebäudes in der Verwechslung der Naturgesetze der menschlichen Gesellschaft mit den historischen Schranken der bürgerlichen Gesellschaft, im gegebenen Fall der Verwechslung der an sich physisch, psychisch und ästhetisch unumschränkten Bedürfnisse des sozialen Menschen mit der gesellschaftlich sehr beschränkten zahlungsfähigen Nachfrage der verschiedenen Konsumentenklassen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Die