Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 384

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sie einen starken Mißton hineingetragen. Aber offiziell und formell hatte sich die sozialreformerische bürgerliche Nationalökonomie noch nicht mit der jüngsten Krise abgefunden, die ihre Marx-Widerlegungen über den Haufen warf. Die Generalversammlung in Hamburg sollte dies nachholen, die moderne Professoralwissenschaft sollte von der jüngsten Krise offiziell Akt und zu ihr theoretisch Stellung nehmen.

Welches ist nun diese wissenschaftliche Stellung? Es war Herr Professor Sombart, der, wie ein freisinniges Blatt schrieb, „in der ihm eigenen glänzenden Weise“ das Referat über die Krise hielt. Es ist wahr, die Zeiten sind vorbei, wo Marx schreiben konnte, die deutsche Professoralwirtschaft sei so dunkel, mysteriös und tiefsinnig, daß dem gewöhnlichen Sterblichen bei ihrem Ergründen nicht nur der Schädel, sondern ganz was anderes krache. Professor Sombart hat ihr ein modernes, gefälliges Gewand verliehen, er hat sie aus morosem Grübeln in elegante Schaumschlägerei verwandelt.

Vor allem erklärt Professor Sombart die jüngste Krise aus der vorhergegangenen Prosperitätsperiode und beide aus den Wechselfällen der Goldproduktion. Der Überfluß an Gold habe den industriellen Aufschwung provoziert, der Mangel an Gold den Zusammenbruch verschuldet. Das ist zunächst, wie jedermann zugeben muß, eine klassische Vereinfachung des Problems. Es ist zwar allgemein bekannt, daß die verstärkte Goldproduktion unter anderen äußeren Momenten zweifellos bei der jüngsten Aufschwungsperiode als ein Faktor mitgewirkt hat; es ist jedoch ein unbestrittenes Verdienst des Herrn Sombart, die Entdeckung gemacht zu haben, daß der starke Goldzufluß Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre der einzige, eigentliche Faktor des Aufschwungs und vor allem, daß die Stockung des Goldzuflusses die eigentliche Ursache der Krise war. Die Goldproduktion mit ihren Zufallsschwankungen und Plötzlichkeiten als Haupttriebfeder eines ganzen Produktionszyklus – das ist die neueste theoretische Blüte eines deutschen Professors, der einst durch die Schule Marxens ging! Marx war es bekanntlich, der die Anarchie als das Gesetz der kapitalistischen Produktionsweise aufgezeigt hat. Aber Marx hat auch innerhalb dieser Anarchie ihre spezifischen Gesetze entdeckt, die sich eben durch die Anarchie durchsetzen und das Wirtschaftsganze regulieren. Dem außerordentlichen Herrn Sombart war es vorbehalten, an Stelle der Gesetzmäßigkeit der Anarchie die Herrschaft des Zufalls zu setzen.

Allein, diese glänzende „Goldtheorie“ des Produktionszyklus findet sich verquickt in dem theoretischen Chaos des Herrn Sombart noch mit einer

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