Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 361

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Überaus wichtig ist aber der Nachdruck, den Waryński in seiner Rede auf die Rolle der objektiven Faktoren der spontanen gesellschaftlichen Entwicklung legt, der gegenüber der sozialistischen Partei hauptsächlich die Rolle zufällt, Aufklärungsarbeit über die historische Richtung des Klassenkampfes der Arbeiter zu leisten.

„Wir wissen“, sagt er, „daß die wachsenden gesellschaftlichen Antagonismen und die am Körper der Gesellschaft anschwellenden Wunden unvermeidlich zum Ausbruch führen werden. Wir wissen auch, welche schreckliche Verwüstung folgt, wenn die Volksmassen durch die Not an den äußersten Rand der Verzweiflung getrieben werden und die entfesselten Elemente mit wilder Kraft sich auf die bestehende Ordnung stürzen. Gerade deshalb ist es unsere Aufgabe, die Arbeiterklasse auf die Revolution vorzubereiten, ihre Bewegung bewußt zu machen, sie zur Parteidisziplin zu erziehen und ein bestimmtes Programm der Ziele und Mittel aufzustellen.“

„Wir stehen nicht über der Geschichte; wir sind ihren Gesetzen unterworfen. Den Umsturz, den wir anstreben, betrachten wir als Ergebnis der historischen Entwicklung und der gesellschaftlichen Verhältnisse. Wir sehen ihn voraus und bemühen uns, daß er uns nicht unvorbereitet antrifft.“

Schließlich lehnt Waryński ganz kategorisch die Taktik der unmittelbaren Vorbereitung auf die soziale Revolution, auf den „Ausbruch“ ab.

„Wir“, sagte er, „organisierten die Arbeiterklasse für den Kampf gegen die jetzige Ordnung. Wir organisierten nicht den Umsturz, sondern wir organisierten für den Umsturz.“

„Kann man“, ruft Waryński auf Grund seiner Charakteristik der Ziele und Grundsätze der Partei „Proletariat“, „kann man unsere Tätigkeit als Verschwörung bezeichnen, die mit dem Ziel eines gewaltsamen Umsturzes der bestehenden staatlichen, ökonomischen und sozialen Ordnung angezettelt wurde?“

Aus der vorangegangenen Analyse wissen wir bereits, daß in dem Augenblick, als Waryński die obigen Worte ausrief, seine Partei sich von seinen vor Gericht dargelegten Ansichten sehr weit entfernt hatte. Der Leitgedanke der Tätigkeit Waryńskis, die geistige Verbindung des polnischen Sozialismus mit dem russischen, die sogleich nach der Gründung des „Proletariat“ Gestalt annahm, führte unter den gegebenen konkreten Bedingungen zu Konsequenzen, die schon zu seiner Zeit sichtbar waren, die aber Waryński weder voraussah noch sich ihrer bewußt war.

Wenn wir uns allerdings heute die Geschichte des „Proletariat“ im

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